BGB §§ 426 Abs. 1, 670, 257; ZPO §§ 114 ff.
Leitsatz
1. Der allein aus einem Gesamtschuldverhältnis nach § 426 BGB herzuleitende Freistellungsanspruch führt nicht zur Anwendung des § 257 BGB. Dieser setzt vielmehr einen Aufwendungsersatzanspruch wegen einer eingegangenen Verbindlichkeit – etwa aus § 670 BGB – voraus.
2. Einer hilfsbedürftigen Partei kann auch nach einer für sie nachteiligen rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Gesuchs hinreichende Erfolgsaussicht gegeben war. Eine rückwirkende Gewährung der Prozesskostenhilfe vor dem Zeitpunkt der Bewilligungsreife kommt ausnahmsweise in Betracht, wenn sich das Gericht mit der Nachreichung von Unterlagen einverstanden erklärt hat.
(Leitsätze der Redaktion)
OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 6.7.2010 – 15 W 52/10 (LG Marburg)
1 Aus den Gründen:
I. Die Parteien waren miteinander verheiratet. Während der Ehe errichteten sie auf dem im Alleineigentum der Beklagten stehenden Grundstück ein Haus, in dem sie gemeinsam mit ihren 2 Kindern über einen Zeitraum von ca. 8 Jahren lebten. Sie schlossen zur Finanzierung des Bauvorhabens Darlehensverträge, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung 1. Instanz mit ca. 195.000 EUR valutierten. Die Parteien trennten sich im Mai 2008. Die Ehe ist seit 14.1.2010 geschieden. Nach Trennung der Parteien lebte allein die Beklagte mit den Kindern in dem Haus. Im Dezember 2009 zog sie mit den Kindern nach Bayern. Das Haus ist seitdem vermietet. Der Kläger hat die Beklagte auf Freistellung von den Verbindlichkeiten aus den Darlehensverträgen in Anspruch genommen und hierzu geltend gemacht, er habe einen Anspruch auf Befreiung von der Mithaftung "im Außenverhältnis" nach den Regeln des Auftragsrechts. Die Beklagte, die ihre alleinige Haftung im Innenverhältnis zum Kläger nicht in Abrede gestellt hat, ist dem entgegengetreten mit der Rechtsauffassung, die von der Rspr. entwickelte Haftungsfreistellung "im Außenverhältnis" nach Auftragsrecht sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, die Darlehen seien nicht ausschließlich in ihrem Interesse, sondern im Interesse der gesamten Familie aufgenommen worden.
Die Beklagte hat, nachdem das LG durch Verfügung vom 11.2.2010, der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zusammen mit der Klageschrift am 18.2.2010 zugestellt, Termin zur Güteverhandlung und gegebenenfalls frühen 1. Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 9.3.2010 anberaumt hatte, mit am 5.3.2010 eingegangenem Schriftsatz vom 4.2.2010 die Bewilligung von "Verfahrenskostenhilfe" beantragt und angekündigt, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse werde im Termin vorgelegt, sowie ihren Klageabweisungsantrag begründet.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 9.3.2010 hat das LG dem Kläger nachgelassen, zum Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 4.3.2010 bis 30.3.2010 Stellung zu nehmen und Termin zur Verkündung einer Entscheidung anberaumt auf den 20.4.2010. Die Beklagte hat im Termin (u.a.) beantragt, ihr zu gestatten, die Unterlagen über die Prozesskostenhilfe noch nachreichen zu dürfen, da diese noch nicht vollständig seien. Diesen Antrag beschied das LG nicht.
Mit Schriftsatz vom 30.3.2010 übermittelte die Beklagte ihre Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen unter Hinweis darauf, dass die Erklärung leider noch nicht ganz vollständig sei. Sie habe die monatlichen Zahlungen auf die Bauspardarlehen nicht eingetragen, die monatlichen Zins- und Tilgungsbeträge seien dem Beleg Nr. 7 zu entnehmen. Die Klägerin (gemeint: Die Beklagte) leite die Miete, die sie aus der Vermietung des Einfamilienhauses beziehe, an die Bausparkasse weiter. Einen Beleg dazu werde sie noch beibringen.
Das LG hat durch – inzwischen rechtskräftiges – Urt. v. 20.4.2010 der Klage stattgegeben und einen Freistellungsanspruch des Klägers nach §§ 426 Abs. 1, 257 BGB bejaht. Als Ersatzpflichtige sei die Beklagte berechtigt, zu wählen, ob sie die Befreiung durch Zahlung an die Darlehensgeberin, durch eine Schuldübernahme nach § 415 BGB oder durch eine Erlassvereinbarung (§ 397 BGB) bewirke. Die Frage, ob der Kläger "mit dem zu seinen Gunsten bestehenden Freistellungsanspruch von der Beklagten auch eine Freistellung im Außenverhältnis durchsetzen" könne, werde erst im Rahmen der Vollstreckung zu klären sein. Dies wäre nicht anders, wenn man mit dem Kläger annehme, dass er nach Auftragsrecht eine Befreiung von den Verbindlichkeiten verlangen könne.
Durch Beschl. v. 20.4.2010 hat das LG die Gewährung von Prozesskostenhilfe aus den Gründen des Urteils vom gleichen Tag versagt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten.
II. Das als sofortige Beschwerde i.S.d. §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 ff. ZPO anzusehende und als solches statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere innerhalb der Frist des § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO von einem Monat erhobene, Rechtsmittel der Beklagten hat in der Sache Erfolg.
Der Beklagten ist für den 1. Rechtszug Prozesskostenh...