1. Wird mit der Verfassungsbeschwerde die Verletzung von Art. 20 Abs. 2 GG und Art. 6 GG i.V.m. Art. 6 EMRK gerügt, so muss der Beschwerdeführer darlegen, in welchen Punkten das von den Fachgerichten gewählte Verfahren der Rechtsprechung des EGMR widersprechen soll. Außerdem ist zu begründen, weshalb der behauptete Konventionsverstoß zugleich einen Verstoß gegen das Grundgesetz darstellen soll. (Rn 16)
2. Der Ausschluss der Eltern vom Umgang mit ihrem in einer Pflegefamilie lebenden Kind und die Beschränkung des Umgangs unterliegen strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen, weil die Entscheidung über den Umgang der Eltern mit ihrem in einer Pflegefamilie untergebrachten Kind mit der Aufrechterhaltung der Trennung des Kindes von seinen beiden Eltern aufs Engste zusammenhängt. Die Wertung des Art. 6 Abs. 3 GG, wonach Kinder gegen den Willen der Erziehungsberechtigten nur aufgrund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden dürfen, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen, ist in dieser Konstellation auch für die Entscheidung über den Umgangsausschluss maßgeblich. (Rn 22)
3. Den strengen Anforderungen des Art. 6 GG an Ausschluss oder Beschränkung des elterlichen Umgangs mit ihrem in Pflege genommenen Kind entspricht der vom EGMR aus Art. 8 EMRK herleitete Schutz des elterlichen Umgangs mit dem Kind, dem schon mit Blick auf das vorrangige Ziel der Rückführung des Kindes zu den Eltern große Bedeutung zukommt. (Rn 24)
4. Die Einschränkung oder der Ausschluss des elterlichen Umgangsrechts mit einem in einer Pflegefamilie untergebrachten Kind sind nur gerechtfertigt, wenn dies zum Schutz des Kindes im Einzelfall erforderlich ist, um eine konkrete Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwehren. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn das Kind eine Beschränkung oder einen Ausschluss des Umgangs ernsthaft wünscht und ein erzwungenes Umgangsrecht sein Wohl gefährden würde. (Rn 25)
5. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Fachgericht den Umgangsausschluss mit dem entgegenstehenden Kindeswillen begründet, den es durch persönliche Anhörung sowie Verwertung der Erkenntnisse des Verfahrensbeistandes und des Jugendamts erforscht und festgestellt hat, nachdem es sich mit der Frage auseinandergesetzt hat, inwieweit der geäußerte Wille Ausdruck einer autonomen Entscheidung des Kindes war und auf welchen Gründen die Ablehnung der Umgangskontakte beruhte, und wenn es nach dem persönlichen Eindruck des Kindes zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die als stabil und nachhaltig eingeschätzte Ablehnung des Umgangs seitens des zwölf Jahre alten Kindes nicht ohne Schäden für das Kind überwunden werden könne. (Rn 31)
6. Trägt die Begründung des Umgangsausschlusses mit dem entgegenstehenden, ohne Gefährdung des Kindeswohls nicht überwindbaren Willen des Kindes die Entscheidung selbstständig, kommt es nicht darauf an, ob auch aus dem Verhalten der Eltern eine den Umgangsausschluss rechtfertigende Kindeswohlgefährdung abgeleitet werden kann. (Rn 33)
(Leitsätze der Redaktion)
BVerfG, Beschl. v. 29.11.2012 – 1 BvR 335/12 (OLG Karlsruhe, AG Emmendingen)