Seit die Thematik der medizinisch assistierten Zeugung die Juristen intensiver zu beschäftigen begonnen hat, also im Wesentlichen seit Mitte der Siebzigerjahre, haben sich die medizinischen Möglichkeiten, die Verhaltensweisen der Beteiligten und die rechtlichen Verhältnisse kontinuierlich verändert. Dadurch werden immer wieder neue rechtliche Fragestellungen aufgeworfen. Dies soll zunächst an einem Beispielsfall aus der Praxis demonstriert werden:
Die in Österreich lebende österreichische Staatsangehörige A hat zusammen mit ihrem ebenfalls in Österreich lebenden Ehemann B, der italienischer Staatsangehöriger ist, sowohl im Jahre 2006 als auch im Jahre 2008 im US-amerikanischen Bundesstaat Georgia eine homologe In-vitro-Fertilisation vornehmen lassen. Der Embryo wurde sodann aufgrund eines mit einer in Georgia lebenden Tragemutter geschlossenen Vertrages in diese transferiert. Durch eine "order of declaratory judgment" wurde bereits vor Geburt eines jeden Kindes festgestellt, dass A und B, also die Österreicherin und der Italiener als die "genetic and legal parents" anzusehen und in die Geburtsurkunden der Kinder als Eltern einzutragen seien. Die Kinder, die im Hinblick auf den Geburtsort in den USA die US-amerikanische Staatsangehörigkeit haben (ius soli), erhielten bei der Rückkehr nach Österreich zunächst auch einen Nachweis über ihre österreichische Staatsangehörigkeit. Als in einem anderen Zusammenhang bekannt wurde, dass die Kinder von einer US-amerikanischen Ersatzmutter geboren worden waren, wurde dies revidiert: Die Kinder seien nicht österreichische Staatsangehörige, weil sie nicht von einer österreichischen Mutter, sondern von einer US-amerikanischen Tragemutter abstammten. Mutter sei nach österreichischem Recht – unabhängig von der genetischen Verbindung – die Gebärende (§ 137b ABGB, eine dem deutschen § 1591 BGB durchaus vergleichbare Regelung). Die order of declaratory judgment sei aus ordre public-Gründen nicht anzuerkennen.
Wäre es bei diesem Bescheid geblieben, wären die Kinder mutterlos, eventuell sogar elternlos geworden. Sie hätten nicht bei ihren genetischen und sozialen Eltern in Österreich bleiben können, es sei denn, diese Eltern hätten in Österreich eine Adoption der Kinder in die Wege zu leiten versucht und wären damit erfolgreich gewesen. Der Erfolg dieses Versuches wäre keineswegs sicher gewesen. Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat allerdings dieses Ergebnis mit pragmatischen Überlegungen korrigiert. Insbesondere hat er sowohl eine Rückverweisung auf österreichisches Recht wegen des zwingenden Charakters der Zuordnungsregelung von Georgia als auch einen ordre public-Verstoß verneint. Dies hat er u.a. damit begründet, dass die österreichischen Abstammungsregeln international nicht zwingend seien. Außerdem erwüchsen mit einer Berufung auf den ordre public nachteilige Konsequenzen für die Kinder. Dieser Fall hätte ebenso in Deutschland spielen können und die gleichen Probleme aufgeworfen.
Ein Blick in die tatsächlichen Verhältnisse zeigt, dass Ersatz- und Tragemutterschaften international eine bemerkenswerte Bedeutung erlangt haben. Der Reproduktionstourismus hat sich in den vergangenen Jahren in großem Umfang ausgeweitet. In Indien soll es große Heime und Kliniken für Ersatz- und Tragemütter geben. Es gibt mehrere Gerichtsentscheidungen in Frankreich und England, in denen es um Kinder geht, die von einer Frau in der Ukraine – offensichtlich gegen Geld – ausgetragen worden sind. Auch in Südafrika sind Ersatz- und Tragemutterschaften – häufig für europäische Wunscheltern – an der Tagesordnung – um nur ein paar Beispiele zu nennen.