1. Neues Europäisches internationales Familienrecht
Seit einiger Zeit sind die Vorschriften des deutschen internationalen Familienrechts in verschiedenen Schritten durch Regelungen europäischer Verordnungen und Haager Konventionen ergänzt bzw. ersetzt worden. So wird das anwendbare Unterhaltsrecht nunmehr über Art. 15 EuUntVO nach dem Haager Protokoll 2007 bestimmt. Das auf die elterliche Sorge anwendbare Recht richtet sich nach dem Haager Kindesschutzübereinkommen (KSÜ), das anwendbare Scheidungsrecht nach der sog. Rom III-VO. Das anwendbare Erbrecht – wenn man dies großzügig dem Kreis der familienrechtlich relevanten Regelungen zuordnen will – ist ab 17.8.2015 nach der EU-Erbrechtsverordnung zu bestimmen. Es ist zu erwarten, dass sich auch die Kollisionsregeln für das eheliche Güterrecht und wahrscheinlich für das Vermögensrecht der registrierten Partnerschaften ebenfalls demnächst aus europäischen Verordnungen ergeben werden. Die Entwürfe für die beiden letztgenannten Gebiete liegen bereits in einem fortgeschrittenen Stadium vor.
Diesen kollisionsrechtlichen Regelungen ist gemeinsam, dass ihre Anwendung durch die Mitgliedstaatengerichte, also beispielsweise deutsche Gerichte, nicht auf Sachverhalte mit Berührung zu anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaaten beschränkt ist. Die Regeln gelten als sog. loi uniforme auch für Sachverhalte mit Drittstaatenberührung. Das vereinfacht die Rechtsanwendung und macht insoweit die Vorschriften des EGBGB obsolet.
Mit Ausnahme der Kollisionsregeln des Kinderschutzübereinkommens über das auf die elterliche Sorge anwendbare Recht ist in allen diesen internationalen bzw. europäischen Rechtsakten vorgesehen, dass sie den Parteien – jedenfalls begrenzt – eine Rechtswahlmöglichkeit einräumen. Die Parteien können also eine Vereinbarung treffen, in der sie das anwendbare Recht bestimmen. Hierauf ist im Folgenden näher einzugehen, denn für die Rechtspraxis, insbesondere die Rechtsberatung, eröffnen diese Rechtswahlmöglichkeiten völlig neue Perspektiven. Bisher sehen zwar Art. 14 Abs. 2 und Abs. 3 EGBGB für die Ehewirkungen eine (sehr) beschränkte Rechtswahl vor, die sich über Art. 17 Abs. 1 EGBGB auf das Scheidungsstatut und über Art. 15 Abs. 1 EGBGB auf das Güterrechtsstatut ebenfalls auswirken kann. Diese Rechtswahlmöglichkeiten sind jedoch auf besondere Sachverhaltskonstellationen beschränkt und in der Praxis von keiner großen Relevanz.
Da die Einzelheiten der Rechtswahl in den verschiedenen Rechtsakten unterschiedlich geregelt sind, werden im Folgenden nur die Rechtswahlmöglichkeiten für das Scheidungsrecht diskutiert.
2. Vorweg zu klärende Fragen
Dabei ist zunächst eine Klarstellung bzgl. des Anwendungsbereichs erforderlich. Die Kollisionsregeln gelten als loi uniforme auch gegenüber Drittstaatensachverhalten. Eine wirksame Rechtswahl des Scheidungsrechts ist also – gleichgültig, ob sie auf die Anwendung österreichischen, Schweizer, englischen oder eines US-amerikanischen Rechts gerichtet ist – von den deutschen Gerichten zu beachten. Ebenso ist sie in den anderen Mitgliedstaaten, in denen die Rom III-VO gilt, für die Gerichte bindend. Außerhalb des räumlichen Anwendungsbereichs der Rom III-VO hingegen hängt die Beachtung der Rechtswahl durch die jeweiligen Gerichte von den dortigen Vorschriften ab. Wichtig ist es daher, zu wissen, vor welchem Forum voraussichtlich die Scheidungsklage anhängig gemacht wird oder zumindest gemacht werden kann. Innerhalb der EU – mit Ausnahme von Dänemark – ergeben sich die möglichen internationalen Zuständigkeiten aus der Brüssel IIa-VO. Zu beachten ist aber weiterhin, dass die Rom III-VO nicht in allen, sondern nur in 14 Mitgliedstaaten der EU gilt. Das Vereinigte Königreich gehört bspw. nicht dazu. Daher würde eine ...