FamFG § 26 § 64 Abs. 3 § 159 Abs. 2, Abs. 3 S. 1
Leitsatz
1. Ein an das Rechtsbeschwerdegericht gerichteter Antrag auf einstweilige Aussetzung der Vollziehung eines das Umgangsrecht regelnden Beschlusses ist in entsprechender Anwendung des § 64 Abs. 3 FamFG statthaft (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – V ZB 14/10, FGPrax 2010, 97 und Senatsbeschl. v. 30.10.2013 – XII ZB 482/13, FamRZ 2014, 29). (Rn 3)
2. Im einstweiligen Anordnungsverfahren sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und die drohenden Nachteile für den Rechtsbeschwerdeführer gegeneinander abzuwägen. Die Aussetzung der Vollziehung einer Umgangsregelung, die durch das Beschwerdegericht bestätigt worden ist, wird danach regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn das Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat oder die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – V ZB 14/10, FGPrax 2010, 97 und Senatsbeschl. v. 30.10.2013 – XII ZB 482/13, FamRZ 2014, 29). (Rn 5)
3. Auch ein erst vierjähriges Kind ist in einem Umgangsrechtsverfahren grundsätzlich von dem Gericht persönlich anzuhören. Ausnahmsweise darf das Gericht von der Anhörung des Kindes aus schwerwiegenden Gründen absehen. Das ist regelmäßig der Fall, wenn die Anhörung des Kindes zu einer erheblichen Beeinträchtigung seiner körperlichen oder seelischen Gesundheit führen würde. (Rn 11)
4. Um die Frage beantworten zu können, ob die persönliche Anhörung des Kindes unterbleiben kann, muss vom Tatrichter eine Interessenabwägung vorgenommen werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, inwieweit es möglich ist, durch die Auskunft anderer Verfahrensbeteiligter, wie etwa des Verfahrensbeistands, des Umgangs- bzw. Ergänzungspflegers oder eines Mitarbeiters des Jugendamts, zu erfahren, ob der Umgang dem Kindeswohl entspricht. (Rn 16)
BGH, Beschl. v. 31.10.2018 – XII ZB 411/18 (OLG Braunschweig, AG Helmstedt)
1 Gründe:
[1] I. Die Beteiligte zu 2 (im Folgenden: Mutter) wendet sich gegen den vom Oberlandesgericht angeordneten, unbegleiteten Umgang zwischen dem Beteiligten zu 3 (im Folgenden: Vater) und dem im Juni 2014 geborenen, gemeinsamen Kind L. Sie begehrt die einstweilige Aussetzung der Vollziehung aus dem angefochtenen Beschluss bis zur Entscheidung über ihre – bereits eingelegte, aber noch nicht begründete – Rechtsbeschwerde, soweit es den zukünftigen Umgang anbelangt. Hilfsweise beantragt die Mutter, einstweilen anzuordnen, dass zwischen dem Vater und seinem Sohn L. nur ein begleiteter Umgang am Wohnort des Kindes stattfindet. Sie begründet ihren Eilantrag damit, dass die Entscheidung auf einer unzureichenden Sachaufklärung durch das Oberlandesgericht beruhe, weil es das Kind nicht angehört habe.
[2] II. Der Antrag auf einstweilige Aussetzung der Vollziehung und der Hilfsantrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben keinen Erfolg.
[3] Die Anträge sind in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG statthaft (vgl. BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – V ZB 14/10, FGPrax 2010, 97 Rn 3 m.w.N.; Senatsbeschl. v. 30.10.2013 – XII ZB 482/13, FamRZ 2014, 29 Rn 14 m.w.N.) und auch im Übrigen zulässig.
[4] Die Anträge sind jedoch unbegründet.
[5] 1. Das Rechtsbeschwerdegericht hat über die beantragte einstweilige Anordnung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und die drohenden Nachteile für den Rechtsbeschwerdeführer gegeneinander abzuwägen (Senatsbeschl. v. 30.10.2013 – XII ZB 482/13, FamRZ 2014, 29 Rn 15). Die Aussetzung der Vollziehung einer Umgangsregelung, die durch das Beschwerdegericht bestätigt worden ist, wird danach regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn das Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat oder die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist (vgl. BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – V ZB 14/10, FGPrax 2010, 97 Rn 5 m.w.N.).
[6] 2. Daran fehlt es hier.
[7] a) Die Rechtsbeschwerde gegen die gemäß § 40 Abs. 1 FamFG mit Bekanntgabe an die Beteiligten vollziehbare Umgangsregelung hat nach der gebotenen summarischen Prüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Rechtslage ist im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen auch nicht zweifelhaft.
[8] aa) Das Oberlandesgericht, auf dessen in NZFam 2018, 931 veröffentlichte Entscheidung insgesamt Bezug genommen wird, hat das Absehen von der Anhörung des zum Zeitpunkt des angegriffenen Beschlusserlasses vierjährigen Kindes damit begründet, dass eine Anhörung von L. nicht ohne eine ihn zusätzlich schädigende Beeinflussung durch die Mutter stattfinden und diese Anhörung nicht zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung beitragen könne. Der Mutter, die ihr Kind anordnungswidrig nicht zum ersten Anhörungstermin mitgebracht habe, seien für den Fall, dass sie L. zum erneut angesetzten Anhörungstermin nicht mitbringe, Zwangsmaßnahmen angedroht worden. Gleichwohl habe sie auch dieser Anordnung nicht Folge geleistet, weshalb zur Herbeiführung der persönlichen Anhörung nur noch die Möglichkeit bestanden habe, die Anhörung von L. nunmehr mit Zwangsmitteln durchzusetzen. Damit würde aber der dargestellte gesetz...