Herbsttagung und Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht in Münster (29.11.–1.12.2018)
Etwa 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren nach Münster gekommen, um sich mit Kolleginnen und Kollegen zu treffen, mit ihnen Erfahrungen auszutauschen und sich über wichtige Themen zu informieren und fortzubilden.
"Auskunftsansprüche im Internationalen Rechtsvergleich" (Prof. Dr. Anatol Dutta, Universität München) und "Sättigungsgrenze und konkreter Bedarf im Unterhalt" (Prof. Dr. Frank Klinkhammer, Stv. Vors. Richter am BGH, XII. Zivilsenat, Karlsruhe) – mit Vorträgen renommierter Referenten begann das intensive Fortbildungsprogramm.
Prof. Dr. Anatol Dutta, Universität München
Prof. Dr. Frank Klinkhammer, Stv. Vors. Richter am BGH
Aber wie immer befassten sich die Familienanwältinnen und -anwälte neben den praxisrelevanten Themen auch mit aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen. "Welche Gefahren gehen von den Neuen Medien im Kinderzimmer aus? Das ist zum Beispiel eine wichtige Frage, wenn es um Sorge und Umgang geht", erläuterte Rechtsanwältin Eva Becker, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im DAV.
Gefahren für Kinder
Prof. Dr. Isabell Götz, Vors. Richterin am OLG München, machte in ihrem Vortrag eindrucksvoll an zahlreichen Beispielen deutlich, wie weit die Digitalisierung des Familienalltags vorangeschritten ist mit all ihren Vor- und Nachteilen für die Entwicklung der Kinder. Gefährlich wird es zum Beispiel, wenn Bilder der Kleinen ins Netz gestellt werden, gedacht für Freunde und Verwandte. Leider bedienen sich immer wieder Pädophile bei den Fotos und nutzen sie – ohne das Wissen der Eltern – für ihre eigenen Zwecke. Auch in Chatrooms, die explizit für sehr junge Kunden ab 14 Jahren eingerichtet wurden, lauern die Gefahren. Götz berichtete von der 12-jährigen Sabrina, die von Chatpartnern aufgefordert wurde, in einen unkontrollierten Raum zu wechseln. Radikalisierung durch Stimmungsmacher im Netz, Cyber-Mobbing, Gewaltverherrlichung, Preisgabe persönlicher Daten sind weitere Stichworte, die beschreiben, was passieren kann, wenn die Kinder Smartphones, Tablets und Laptops unkontrolliert nutzen. "Wir sind jedoch nicht zum Erziehen da", betonte die Richterin, "Eltern dürfen entscheiden, ob sie Klangschalen-Esoterik, gruselige Märchen oder YouTube-Thriller zur Unterhaltung ihrer Kinder sinnvoll finden." Aufgabe des Familienrechts sei es vielmehr, Konflikte zu lösen und das Wächteramt da auszuüben, wo das Wohl des Kindes ernsthaft gefährdet erscheint.
Gesellschaftspolitische Fragen aus familienrechtlicher Sicht
Zu den aktuellen gesellschaftspolitischen Themen auf der Herbsttagung zählte auch "Das Dritte Geschlecht". Neben den Geschlechtseintragungen "männlich" und "weiblich" ist eine positive dritte Eintragung verfassungsrechtlich geboten, hat das Bundesverfassungsgericht im Oktober 2017 entschieden. Der Gesetzentwurf sieht die Bezeichnung "divers" vor. Kritiker bezeichnen den Entwurf als "Schmalspurlösung", denn die neue Bezeichnung steht nicht allen Menschen offen, sondern nur jenen mit "Variationen der Geschlechtsentwicklung". Trans- und intersexuelle Menschen würden als Kranke stigmatisiert. Beanstandet wird außerdem, dass Betroffene ihre Intersexualität mit einem Gutachten belegen müssen, wenn sie die Eintragung ändern wollen. Wie die Änderung im Personenstandsrecht besser ausgestaltet sein könnte oder sollte, zeigte Dr. Susanne Lilian Gössl, LL.M. (Tulane), in ihrem Vortrag. Sie ist Akademische Rätin und Habilitandin an der Universität Bonn und hat sich mit dem Thema auch rechtsvergleichend befasst.
Das familienrechtliche Erstgespräch
Dr. Ina Pick, Gesprächsforscherin aus Köln, war bereits zum zweiten Mal Gastreferentin bei den Familienanwälten. Seit Jahren erforscht sie empirisch, wie Mandant und Anwalt ins Gespräch kommen. Dazu hat sie zahlreiche Gespräche in Anwaltsbüros aufgezeichnet und ausgewertet. Ihr Vortrag auf der Herbsttagung im vergangenen Jahr hatte so starke Resonanz gefunden, dass sie ihre Erkenntnisse – diesmal in Form eines Workshops – erneut in die Praxis zurücktragen konnte. "Die Anliegenserklärung im familienrechtlichen Erstgespräch unter der linguistischen Lupe" gehörte genau zu den Themen, die auf den ersten Blick im Familienrecht nur am Rande eine Rolle spielen, in Wirklichkeit aber für die alltägliche Arbeit der Anwältinnen und Anwälte enorm wichtig sind. Denn wenn die Erstgespräche schief laufen, kommt das Mandat häufig gar nicht erst zustande. Um das zu vermeiden, ist es meist sinnvoll, zunächst den Wissensstand des Mandanten oder der Mandantin zu ermitteln, am besten durch Zuhören und Nachfragen.
Das Fortbildungsprogramm der Herbsttagung war vielfältig und praxisbezogen. In zahlreichen Vorträgen und Diskussionen ging es um maßgeschneiderte Eheverträge, um den konkreten Bedarf im Unterhalt, um Unternehmensbewertung im Güterrecht, um die betriebliche Altersvorsorge, um verschiedene Fragen im Kindschaftsrecht und um die Datenschutzgrundverordnung im Familienrecht.
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