Die materiellrechtlichen Grundsätze finden sich in § 1626 BGB: Unterschieden wird dort nach dem Status, der Ausübung der elterlichen Sorge und dem Umgang. Deshalb stellt sich die Frage, ob de lege lata zwischen Aufenthaltsbestimmungsrecht und Umgangsrecht ein so substantieller Unterschied besteht, der die Behandlung in getrennten Verfahren erfordert.

Nach tradierter Auffassung[10] war die Frage zu bejahen, weil das Umgangsrecht vom Aufenthaltsbestimmungsrecht abzugrenzen sei und nicht der gleichberechtigten Teilhabe beider Eltern am Leben der Kinder, sondern lediglich dazu diene, dem Elternteil in dessen Obhut das Kind nicht lebt, zu ermöglichen, sich von dem Befinden des Kindes und seiner Entwicklung zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten sowie dem gegenseitigen Liebesbedürfnis Rechnung zu tragen. Danach ist das Umgangsrecht also wesensverschieden von der elterlichen Sorge und der dort rechtlich verorteten Betreuung des Kindes.

Der BGH[11] hatte sich damit im Kontext des Wechselmodells zu befassen. Nach seiner Auffassung ist diese Rechtsmeinung nicht durch das Gesetz gedeckt. Zwar treffe einerseits zu, dass man sich auf der Ebene der Ausübung der elterlichen Sorge befinde, wenn Betreuungszeiten festgelegt werden, gleich welchen Umfangs. Aber andererseits enthalte das Gesetz keine Beschränkung des Umgangsrechts dahingehend, dass vom Gericht angeordnete Umgangskontakte nicht zu hälftigen Betreuungsanteilen der Eltern führen dürfen.

Daraus folgt zum einen, dass das tradierte Verständnis des Umgangszwecks überholt ist, und zum anderen, dass Umgangszeit Betreuungszeit ist. Die Systematik des materiellen Rechts gebietet demnach keineswegs, dass zuerst eine Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht und erst danach eine solche zum Umgang getroffen wird. Deshalb steht das materielle Recht einer gemeinsamen Behandlung beider Themen in einem Verfahren nicht entgegen.

Das ändert allerdings nichts daran, dass sich Gerichte aufgrund isolierter Anträge mit isolierten Verfahren zu Aufenthaltsbestimmungsrecht und Umgang konfrontiert sehen. Das leitet zu den verfahrensrechtlichen Vorgaben über.

[10] BGHZ 42, 364; aktuell dem folgend: OLG Schleswig FamRZ 2016, 1788; OLG Nürnberg FamRZ 2016, 2119; Übersicht bei: NK-BGB/Peschel-Gutzeit, 3. Aufl., § 1684 BGB, Rn 9; Fröschle, Sorge und Umgang in der Rechtspraxis, 2. Aufl., Rn 1062.

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