Jochem Schausten
Beginnen wir dieses Editorial mit einem Zitat, welches Antoine de Saint-Exupéry (den wir sicher alle kennen) zugeschrieben wird: "Wer nur um Gewinn kämpft, erntet nichts, wofür es sich lohnt zu leben."
Vermutlich werden die meisten von uns dieses Zitat sofort bestätigen. Denn wir Familienrechtler kämpfen ja tagtäglich nicht um den schnöden Mammon, sondern um Entscheidungen, die Lebenswege nachhaltig beeinflussen können. Aber – und darum geht es mir eigentlich – wir sollten das "nur" nicht überlesen.
Womit ich bei Robert Penn Warren wäre, den wahrscheinlich nicht mehr alle von uns kennen – ich gestehe zu, mir ging es mal genauso. Mr. Warren war ein amerikanischer Schriftsteller, sogar Pulitzer-Preisträger, ihm wird folgendes Zitat zugeschrieben: "Poets, we know, are terribly sensitive people, and in my observation one of the things they are most sensitive about is money." Ersetzen wir hier die "Poets" durch die "Family Lawyers", nähern wir uns wieder etwas mehr dem Thema meines Editorials. Auch wir Familienrechtler werden sehr empfindsam, wenn es um Geld geht – vor allem um jenes, welches wir von unseren Mandanten gerne für unsere Dienstleistung hätten.
Womit ich bei Vincent van Gogh wäre, von dem wir sicher alle schon mal etwas gehört bzw. gesehen haben. Diesem begnadeten Maler wird folgendes Zitat zugeschrieben: "Ich mache mir immer wieder Vorwürfe, dass meine Malerei nicht wert ist, was sie kostet." Jetzt ersetzen wir "Malerei" durch "anwaltliche Dienstleistung" – und sind dem Anlass für dieses Editorial noch einen Schritt näher gekommen.
Diesmal geht es mir um die Gegenstandswerte in den Ehesachen. Wie diese zu berechnen sind, ist in § 43 FamGKG geregelt: In Ehesachen ist der Verfahrenswert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten, nach Ermessen zu bestimmen.
Nach meiner Erfahrung, bestätigt durch die letzte Mitgliederumfrage, wird der Vermögensaspekt von vielen Kolleginnen und Kollegen – aber eben auch von vielen Gerichten – bei der Festsetzung des Gegenstandswertes außer Acht gelassen. Zugegeben, auch in unserer Kanzlei haben wir viel zu lange nur zu den Einkommensverhältnissen der Ehegatten vorgetragen. Dabei haben wir alle in der Regel doch hinreichende Kenntnis über die Vermögensverhältnisse der Ehegatten im Zusammenhang mit den Zugewinnausgleichsverfahren. Es wäre also in den meisten Fällen ein Leichtes, nicht nur zu den Einkommens-, sondern auch zu den Vermögensverhältnissen vorzutragen.
Trotzdem fällt es uns Familienrechtlern offenbar immer noch schwer, die Gegenstandswerte entsprechend den gesetzlichen Vorgaben unter Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse festsetzen zu lassen. Damit wir diesbezüglich in Zukunft weniger "Skrupel" haben, zitiere ich Ihnen aus einer Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts:
"Insoweit sind zum einen das berechtigte Interesse der Anwaltschaft an auskömmlichen Gebühren und zum anderen die weit überdurchschnittliche Höhe des Vermögens der Ehegatten zu berücksichtigen." (Beschl. v. 3.7.2018 – 13 WF 57/18, juris)
Auskömmliche Gebühren sind also ein berechtigtes Interesse der Anwaltschaft – wobei ich nicht verschweigen möchte, dass es sicherlich auch ein berechtigtes Interesse der Haushalte der Länder gibt, dass in Ehesachen der Gegenstandswert gemäß den gesetzlichen Vorgaben angesetzt wird.
Meine Bitte: Ändern Sie Ihre Gewohnheiten und tragen Sie zukünftig zu den Vermögensverhältnissen der Ehegatten vor – aus Erfahrung versichere ich Ihnen: Es lohnt sich!
PS: Sollte Ihnen dieses Editorial in Teilen bekannt vorkommen, war dies Absicht: "Steter Tropfen höhlt den Stein!" (angeblich Choirilos von Samos).
Autor: Jochem Schausten
Jochem Schausten, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Krefeld
FF 2/2019, S. 45