Nach Aufhebung des Saldierungsprinzips muss nun erstmalig über Härten entschieden werden, die sich aus der Einführung des Hin- und Her-Ausgleichs ergeben können, weil ein Rentner aus einem übertragenen Anrecht (noch) keine Rente erhalten kann, während bei der eigenen Rente der Betrag abgezogen wird, den er zugunsten des Ehegatten abgeben musste. Beim saldierten Ausgleich nach altem Recht erfolgte die Kürzung der eigenen Versorgung ohnehin nur in Höhe der Hälfte der Differenz der beiderseitigen Rentenwerte. Diese Saldierung entfällt beim Hin- und Her-Ausgleich; seit 2009 gibt jeder Ehegatte dem anderen die Hälfte seiner ehezeitlichen Rentenanrechte. Der Antrag nach § 35 VersAusglG stellt sicher, dass die eigene Rente ungekürzt bezogen werden kann, solange aus dem übertragenen Anrecht noch keine Rente realisiert werden kann. Der Antrag ist nach § 36 VersAusglG beim Versorgungsträger zu stellen; für nachgelagerte Rechtstreitigkeiten ist ausschließlich die für die gekürzte Rente zuständige Fachgerichtsbarkeit zuständig. Sind mehrere Anrechte betroffen, können verschiedene Gerichte mit der Sache befasst sein (§ 35 Abs. 4 VersAusglG).
Die bislang veröffentlichten Entscheidungen deuten darauf hin, dass die Versorgungsträger im verständlichen ökonomischen Interesse ihrer Versicherten gelegentlich reserviert auf Anpassungsanträge reagieren. So bedurfte es in einem Verfahren, in dem ein berufsunfähiger Zahnarzt die Kürzung seines vorgezogenen Altersruhegeldes infolge des Versorgungsausgleichs abwenden wollte, einer gerichtlichen Entscheidung dazu, dass auch das vorgezogene Altersruhegeld eine Versorgung nach einer "besonderen Altersgrenze" darstellt. Obwohl die Gesetzbegründung zu § 35 VersAusglG ausdrücklich betont, dass mit diesem Terminus alle Versorgungen gemeint sind, von denen der Berechtigte infolge eines Antrags schon vor Eintritt in das gesetzliche Rentenalter profitieren kann, hielt das Versorgungswerk bis in die zweite Instanz an der gegenteiligen Auffassung fest.
Den Hauptanwendungsfall für § 35 Abs. 1 VersAusglG dürften wohl Beamte bieten, die – entweder wegen einer besonderen Altersgrenze oder wegen Dienstunfähigkeit – in den Vorruhestand gehen. Hier fließen Anrechte aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis ab, während aus den erhaltenen Anrechten in der deutschen Rentenversicherung keine Rente bezogen werden kann. Derartige Anträge werden offenbar problemlos positiv zugunsten des Beamten entschieden. Ein weiterer, potenziell häufiger Anlass für die Anwendung des § 35 VersAusglG bedurfte dagegen obergerichtlicher Klärung: Lässt sich ein Beamter scheiden und erhält von der nicht beamteten Ehegattin Anrechte in der Deutschen Rentenversicherung übertragen, kann das wirtschaftlich im Ergebnis sinnlos sein, wenn er wegen der fehlenden Erfüllung der für die Rentenauszahlung notwendigen Wartezeiten nie eine Rentenauszahlung erleben wird. Dieser Standardfall des unwirtschaftlichen Wertausgleichs soll nach § 19 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG ohnehin vermieden werden, das Anrecht ist dem schuldrechtlichen Ausgleich vorzubehalten. Ist aber – wie im entschiedenen Fall – im Versorgungsausgleich bei Scheidung ein im Ergebnis wertloses Anrecht für den Beamten begründet worden, stellt sich die Frage der Anwendbarkeit des § 35 VersAusglG. Das OVG Nordrhein-Westfalen geht davon aus, dass die fehlende Auszahlung einer Rente wegen der Nichterreichbarkeit einer Wartezeit als Fall des § 35 Abs. 1 VersAusglG berücksichtigt werden kann. Die Ehefrau müsste etwas abgeben, was beim Ehemann nie ankommt, die Versorgung des Ehemanns wird – letztlich überproportional – gekürzt, obwohl er die ihm zustehende Versorgung nicht ausgezahlt erhält. Das Anpassungsrecht nach § 35 VersAusglG eignet sich in diesen Fällen also zur Fehlerkorrektur.