Herbsttagung und Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft Familienrechtvom 21.-23.11.2019 in Warnemünde
Mehr als 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren der Einladung gefolgt, um mit Kolleginnen und Kollegen Erfahrungen auszutauschen und sich über wichtige Themen zu informieren und fortzubilden.
"EU-Güterechtsverordnung" und "Legal-Tech-Chancen im Familienrecht"
Unter dem Motto FRISCHE BRISE standen in der Yachthafenresidenz Hohe Düne interessante Vorträge und Workshops von namhaften Referentinnen und Referenten auf dem Programm.
Professionelle Akteure im Kindschaftsverfahren
In einem zentralen Vortrag sprach Prof. Dr. Rüdiger Ernst, Vorsitzender Richter am Kammergericht, Berlin, über "Entscheider im Kindschaftsverfahren: Jugendamt, Verfahrensbeistand und Sachverständiger". Es sei nicht selten, dass betroffene Eltern im beauftragten Sachverständigen den eigentlichen Entscheider sehen. Manche gingen auch von einer erheblichen Machtposition des Jugendamtes aus und von wachsender Bedeutung der Verfahrensbeistände. Treffe dieser Befund zu, dann gebe es ein verfassungsrechtliches Problem, meinte Ernst, und schlimmer noch: "Trifft es zu, dass die von der Entscheidung Betroffenen auch nur den Eindruck haben, dieser Befund treffe zu, bekommen wir ein Problem hinsichtlich des Vertrauens in den Rechtsstaat". Der Gesetzgeber aber habe verschiedene, sich deutlich voneinander unterscheidende Rollen geschaffen und spezifische Aufgaben an die professionellen Akteure verteilt. Wie diese Aufgaben aussehen, wie sie erfüllt werden können und sollen, legte Ernst ausführlich dar. Dabei betonte er ausdrücklich, dass alle Akteure eine besondere Qualifikation brauchen. Er schlug vor, dass alle Richterinnen und Richter, die neu im familienrichterlichen Dezernat eingesetzt sind, für einen beachtlichen Zeitraum, vielleicht für drei Monate, an einem e-learning Projekt teilnehmen sollten und so dem Beispiel der Fachanwaltsausbildung folgen. Der Vortrag von Professor Ernst mündete in der These: "Wenn alle Akteure, insbesondere Richter und auch Verfahrensbevollmächtigte, dafür sorgen, dass Jugendamt, Verfahrensbeistand und Sachverständige von Beginn des Verfahrens an ihre vom Gesetzgeber vorgesehenen und vorgegebenen Rollen und Aufgaben erstens vollständig ausfüllen und zweitens nicht überschreiten, dann ist garantiert, dass der Richter den Fall für die Betroffenen erkennbar selbst und aus eigener Überzeugung entscheidet." Das sei erstens verfassungsrechtlich geboten und sei zweitens als ein Beitrag zur Wahrung des Vertrauens in den Rechtsstaat erforderlich. Der Vortrag wird auch in Forum Familienrecht veröffentlicht.
Eheschleicherei – Nachweis- und Rechtsbewertungsprobleme
In einem weiteren Vortrag wurde über einen Lebenssachverhalt aufgeklärt, mit dem Familienanwälte möglicherweise konfrontiert sein können: Eheschleicherei, eine besonders infame Methode, um an das Vermögen von älteren und einsamen Damen oder Herren zu kommen. Da wird zum Beispiel hilfsbedürftigen Menschen unter die Arme gegriffen, Einkäufe werden erledigt, Überweisungen werden geschrieben. Die Beziehung wird immer enger und irgendwann kommt der Heiratsantrag, dem der einsame Mensch in seiner Hilflosigkeit zustimmt. Nicht selten kommt es bald schon zum Ableben des frisch Verheirateten und bei älteren kränkelnden Menschen werde eine natürliche Todesursache nur selten angezweifelt, erläuterte Rechtsanwalt Dr. Dietmar Kurze. Der frisch gebackene Ehegatte oder die Ehegattin erfreut sich sodann am Erbe.
Neben solchen eher außergewöhnlichen, eventuell sogar strafrechtlich relevanten Fällen ging es bei der Tagung auch um Themen, mit denen sich die Familienanwälte im Alltag befassen: Verfahrensrecht, Gesellschaftsrecht, Unterhaltsrecht und Zugewinnausgleich. Parallel zum Fachprogramm konnten die Anwältinnen und Anwälte ihre "mentale Kompetenz" stärken. Dr. med. Franz J. Sperlichlieferte eine Vielzahl von Tipps, wie das "Gebäude der Gesundheit" aufgebaut und stabilisiert werden kann. Eine Veranstaltung, die bei vielen Familienanwältinnen und -anwälten besonders gut ankam. Nach der Arbeit erholten sich die Familienanwältinnen und -anwälte bei "Gesprächen bei Speis und Trank" und anschließendem Tanz. Die Bootshalle in der Yachthafenresidenz mit ihrem maritimen Flair war dafür ein besonders schöner Ort.
Braucht das Familienrecht eine eigene Fachgerichtsbarkeit?
Mit einer kontroversen Diskussion endete die Herbsttagung. Bisher gibt es keine besonderen Voraussetzungen für den Einsatz als Familienrichter oder -richterin. Richterinnen und Richter, die sich das nötige Wissen angeeignet haben, werden oft nach kurzer Zeit wieder durch unerfahrene Kolleginnen und Kollegen ersetzt. Dabei erfordert das breite Spektrum des Familienrechts hohe fachliche Flexibilität; fachfremde Materien – wie Versicherungsmathematik bei der Berechnung des Versorgungsausgleichs – verlangen interdisziplinäre Kommunikation. Die Einführung einer Fachgerichtsbarkeit für Familienrecht könnte helfen, davon zeigte sich Dr....