Doch schauen wir uns die Möglichkeiten, die § 1383 BGB bietet, anhand einiger Beispielsfälle an.
Beispiel 1:
Ehefrau F hat ihr Elternhaus geerbt und darin mit Ehemann M und den gemeinsamen Kindern gelebt. Während der im gesetzlichen Güterstand geführten Ehe hat sie M hälftiges Miteigentum eingeräumt. Nach dem trennungsbedingten Auszug des M bleibt sie mit den Kindern in dem Haus (Wert 500.000 EUR) wohnen. Sie möchte, dass M ihr seine Miteigentumshälfte zurück überträgt. In einem beim Familiengericht anhängigen Zugewinnausgleichsverfahren errechnet sie sich einen Anspruch von 300.000 EUR. Eine einverständliche Lösung ist nicht möglich.
Wie sind die Aussichten der F, die dem M überlassene Miteigentumshälfte zurückzuerlangen?
Zunächst einmal ist zu konstatieren, dass das Gesetz eine Anspruchsgrundlage für einen entsprechenden Übertragungsanspruch nicht bereithält. Was F verlangen kann, ist die Aufhebung der Gemeinschaft gemäß §§ 749 ff. BGB, also durch Teilungsversteigerung. Aber das ist ein riskanter Weg. Ob sie auf diese Weise ihr Ziel erreichen kann, ist ungewiss.
Der Weg, an den in Fällen dieser Art meist zuerst gedacht wird, ist der über § 313 BGB (Wegfall der Geschäftsgrundlage). Die Übertragung des hälftigen Miteigentums an M während der noch intakten Ehe wird sicherlich als ehebezogene Zuwendung der F anzusehen sein, nämlich als Beitrag zur Ausgestaltung der Ehe in Erwartung von deren Fortbestand. Nachdem mit dem Scheitern der Ehe die Geschäftsgrundlage der Zuwendung entfallen ist, kann an die Möglichkeit eines Rückgewähranspruchs gemäß § 313 BGB gedacht werden. Voraussetzung ist, dass F ein Festhalten an der bestehenden Vermögenssituation im Sinne dieser Vorschrift nicht zumutbar ist. Für die Beurteilung der Frage der Zumutbarkeit ist nun aber die güterrechtliche Situation von Relevanz. Ist über den Zugewinnausgleich ein für F befriedigendes Ergebnis zu erreichen, scheidet ein Ausgleichsanspruch gemäß § 313 BGB aus. An dieser Stelle kommt, was in der Rechtsprechung oft übersehen wird, § 1383 BGB ins Spiel. Kann F ihr Ziel unter Heranziehung des § 1383 BGB im Zugewinnausgleich erreichen, ist das der Weg, den sie beschreiten muss; der Weg über § 313 BGB ist ihr dann verschlossen.
Und so stellt sich die Frage: Könnte ein im anhängigen Zugewinnausgleichsverfahren gestellter Antrag der F, ihr die Miteigentumshälfte des M unter Anrechnung auf ihre Zugewinnausgleichsforderung zu übertragen, Erfolg haben?
F ist Zugewinnausgleichsgläubigerin. Der Wert des Herausverlangten (250.000 EUR) übersteigt nicht die Höhe ihrer Zugewinnausgleichsforderung (300.000 EUR). Wenn sich diese Zahlen im Verfahren bestätigen, hängt das Ergebnis von der erforderlichen Interessenabwägung ab.
Gesichtspunkte, die dem M eine Rückgabe seiner Miteigentumshälfte gegen Anrechnung auf die Zugewinnausgleichsforderung der F unzumutbar erscheinen lassen könnten, sind nicht erkennbar. Er erlangt vollen Wertersatz.
F kann darauf verweisen, dass sie ein starkes Interesse am Erhalt ihres Elternhauses hat. Auch der Verbleib der Kinder in der gewohnten Umgebung wäre gesichert, wenn sie wieder Alleineigentümerin wäre. Und eine die Familie belastende Teilungsversteigerung würde vermieden.
Reicht das für die Annahme, die Übertragung der Miteigentumshälfte des M auf F sei zur Vermeidung einer groben Unbilligkeit für F erforderlich? Legt man die strengen Anforderungen des OLG Hamm zugrunde ("dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen"), mag man zweifeln können. Überzeugend erscheint aber nur das Ergebnis: Die Anforderungen sind erfüllt. F muss mit ihrem Begehren Erfolg haben.
Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch Folgendes: Anders, als es in der Literatur zum Teil vertreten wird, gibt es keinen Grund, die Billigkeitsanforderungen bei § 1383 BGB höher anzusetzen als die Zumutbarkeitsanforderungen bei einem auf § 313 BGB gestützten Rückgewährverlangen. Wenn die Beibehaltung der bestehenden Vermögenssituation i.S. des § 313 BGB unzumutbar erscheint, wird auch eine grobe Unbilligkeit i.S. des § 1383 BGB anzunehmen sein. Und betrachtet man den Beispielsfall unter dem Blickwinkel des § 313 BGB, so spricht alles dafür, das schutzwürdige Interesse der F gerade am Rückerhalt des Vermögensobjekts selbst (statt eines Ausgleichs in Geld), welches für ein auf dingliche Rückgewähr gerichtetes Verlangen nach der Rechtsprechung erforderlich ist, zu bejahen.
Ein positiver Effekt einer Lösung über § 1383 BGB ist es, dass ein auf Rückgewähr nach § 313 BGB gerichtetes Verfahren überflüssig wird. Die Frage einer Rückgewährverpflichtung wird im ohnehin durchzuführenden Zugewinnausgleichsverfahren mit erledigt. Allerdings darf eins nicht übersehen werden: Die Rechtsfolgen beider Lösungen sind nicht unbedingt identisch. Zwar kann auf beiden Wegen die Rückübertragung der Immobilienhälfte erreicht werden. Bei der Lösung über § 1383 BGB muss F sich allerdings deren Wert in vollem Umfang anrechnen lassen; ihre auf...