I. Anfang des vergangenen Jahres löste der Beschl. v. 13.11.2019 nicht nur in der Anwaltschaft, sondern auch innerhalb der Amts- und Oberlandesgerichte eine lebhafte Diskussion aus, weil der BGH die Süddeutschen Leitlinien insoweit übernommen zu haben schien, als er sich für einen Erwerbstätigenbonus von 1/10 neben dem Abzug pauschalierter berufsbedingter Aufwendungen ausgesprochen und den Oberlandesgerichten eine bundeseinheitliche Handhabung nahegelegt hatte. Diese Fragestellung wurde dann im Herbst u.a. Gegenstand der Koordinierungsgespräche der Oberlandesgerichte für die Düsseldorfer Tabelle 2021. Eine, weithin befürwortete, einheitliche Handhabung zeichnet sich bereits deswegen nicht ab, weil in der Düsseldorfer Tabelle neben dem Abzug berufsbedingter Aufwendungen unter B I. 1. die "monatlichen Unterhaltsrichtsätze" weiterhin mit "3/7 des anrechenbaren Erwerbseinkommens zuzüglich ½ der anrechenbaren sonstigen Einkünfte des Pflichtigen" bemessen werden und weitere Oberlandesgerichte eine Abkehr von der bisherigen 3/7-Quote jedenfalls für das Jahr 2021 ausgeschlossen haben.
Die Entscheidung des BGH, die auch wegen der Abzugsfähigkeit von Unterhaltsaufwendungen für volljährige Kinder in der Ausbildung, des Zurückbehaltungsrechts beim Vorsorgeunterhalt sowie der Begrenzung des nachehelichen Unterhalts besondere Beachtung verdient, soll an dieser Stelle allein im Hinblick auf den Erwerbstätigenbonus und die Argumentation einer näheren Betrachtung unterzogen werden.
II. Das Echo auf den Beschluss des BGH war – erwartungsgemäß – geteilt. Borth begrüßt die Entscheidung inhaltlich und stellt maßgeblich auf einen reinen Leistungsanreiz ab. Er plädiert nachdrücklich für eine einheitliche Bemessung von 1/10 mit der "erschwerende Umstände" bei der Berechnung des Unterhalts künftig nicht auftreten. Ebenso folgt Reinken der in sich stimmigen Argumentation zur Reduzierung des Bonus auf 1/10. Der "facettenreichen Entscheidung" tritt hingegen Schürmann unter Hinweis auf die Entwicklung der Bemessung des Quotenunterhalts entgegen, aus der gerade nicht der Schluss zu ziehen sei, dass der gesonderte Abzug berufsbedingter Aufwendungen dazu führen müsse, den Erwerbstätigenbonus herabzusetzen, um einen angemessenen Unterhaltsanspruch zu berechnen, zumal die finanziellen Mittel auf Seiten des Unterhaltspflichtigen zur Beibehaltung seines Lebensstandards nach Trennung nicht ausreichten und der Bezug von Zeitfaktor sowie Erwerbseinkommen nicht unberücksichtigt bleiben dürfe.
Die finanzielle Bedeutung der Fragestellung mag in der überwiegenden Zahl der Fälle eher geringfügig sein, wenn in den Mittelpunkt der Abzug von 10 % oder von 1/7, entsprechend 14,3 %, gerückt wird. Je 100 EUR Einkommen führt dies zu einer Differenz von lediglich 4,30 EUR (14,30 EUR – 10,00 EUR). Durch den prozentualen Bezugsmaßstab erhöht sich die Differenz mit steigendem Einkommen und beläuft sich bei bereinigten Erwerbseinkünften bzw. deren Differenz von 1.000 EUR auf 100 EUR Bonus statt 143 EUR, bei 2.000 EUR Erwerbseinkommen auf 200 EUR anstelle von 286 EUR bzw. bei 3.000 EUR Einkünften auf 300 EUR anstelle von 429 EUR. Deutlicher tritt der Bewertungsmaßstab in der Unterhaltsberechnung zutage, wenn man nicht nur das Erwerbseinkommen des Unterhaltspflichtigen oder des Unterhaltsberechtigten isoliert betrachtet, sondern den beiderseitigen Erwerbstätigenbonus bei der Berechnung vergleicht. Während bei durchschnittlichen Einkünften die unterschiedliche Höhe nicht so wesentlich erscheint, verschiebt sich das Verhältnis bei höheren und sehr unterschiedlichen Erwerbseinkünften signifikant. Diesen Aspekt nimmt der BGH in seiner Entscheidung nicht in den Blick, obwohl hierzu durchaus Anlass bestanden hätte. Denn in der nur kurze Zeit zuvor veröffentlichten Entscheidung vom 25.9.2019 (zur konkreten Bedarfsermittlung) hatte das OLG Celle als Vorinstanz Erwerbseinkünfte des unterhaltspflichtigen Ehemannes in Höhe von 10.426 EUR festgestellt, denen fiktive Nettoeinkünfte der unterhaltsberechtigten Ehefrau von 1.225 EUR gegenüberstanden, sodass der Erwerbstätigenbonus von 1/7 auf Seiten des Ehemannes rund 1.490 EUR betrug, während dieser auf Seiten der Ehefrau mit lediglich 175 EUR zu berücksichtigen war. Aus welchem Grund der finanzielle Anreiz neben der gesetzlich bestehenden Erwerbsobliegenheit in diesem Umfang differieren muss, wäre einer näheren Betrachtung in der vorliegenden Entscheidung wert gewesen.
III. Bereits in seiner ersten Entscheidung nach der Eherechtsreform, jedoch noch zum Unterhaltsanspruch nach den Regelungen in §§ 58, 59 EheG a.F. hat der BGH den Grundsatz aufgestellt, dass die Eheleute an dem ehelichen Lebensstandard in gleicher Weise teilnehmen, woraus die Aufteilung des Einkommens "je zur Hälfte" folge und zugleich der Halbteilungsgrundsatz eingeführt war. Gleichwohl müsse der mit der Berufstätigkeit verbundene besondere Aufwand dazu führen, dass dem Erwerbstätigen jeweils mehr als die Hälfte seines Einkommens zuge...