BGB § 1741 Abs. 1 S. 1 § 1767 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 § 1769;FamFG § 193
Leitsatz
1. Für den Ausspruch einer Annahme als Kind muss die Identität des Anzunehmenden grundsätzlich feststehen; das gilt auch dann, wenn es sich dabei um einen Flüchtling handelt. (Rn 13)
2. Zur sittlichen Rechtfertigung einer Volljährigenadoption. (Rn 28)
3. Im Adoptionsverfahren bedarf es einer Anhörung der Kinder des Annehmenden und des Anzunehmenden nach Sinn und Zweck des § 193 FamFG nicht, wenn das Gericht bereits die sittliche Rechtfertigung der Annahme eines Volljährigen verneint und den Adoptionsantrag zurückweist. (Rn 48)
BGH, Beschl. v. 25.8.2021 – XII ZB 442/18 (OLG Koblenz, AG Andernach)
Aus den Gründen
Gründe: A. [1] Gegenstand des Verfahrens ist die Adoption eines volljährigen Asylsuchenden.
[2] Der Beteiligte zu 3 (Anzunehmender) ist mutmaßlich afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste im Januar 2016 ohne Pass und Visum über die sogenannte Balkanroute in das Bundesgebiet ein, fand zunächst in einer Notunterkunft Aufnahme und stellte einen Asylantrag. Aufgrund seiner eigenen Angaben wurden dabei als Geburtsdatum der 1.1.1998 und als Geburtsort die nordafghanische Provinz T. registriert. Im August 2016 nahmen ihn die miteinander verheirateten Beteiligten zu 1 und 2 (Annehmende) in ihren Haushalt auf, wo er seither lebte. Bei seiner Anhörung im Asylverfahren im April 2017 änderte der Beteiligte zu 3 seine Angaben zur Person dahingehend, dass er am 21.5.1999 in der afghanischen Stadt K. geboren sei. Im Mai 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag des Beteiligten zu 3 ab und erkannte ihm weder die Flüchtlingseigenschaft noch den subsidiären Schutzstatus zu. Gegen diesen Bescheid hat der Beteiligte zu 3 Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht eingereicht.
[3] Mit notarieller Urkunde vom 28.9.2017 haben die Adoptionsbeteiligten bei dem Familiengericht beantragt, die Annahme des volljährigen Beteiligten zu 3 als Kind mit den starken Wirkungen einer Minderjährigenadoption auszusprechen. Sie haben angegeben, dass die leiblichen Eltern des Beteiligten zu 3 verstorben seien. Zum Nachweis der Identität des Anzunehmenden haben sie die Kopie einer in Afghanistan beschafften und dort ohne persönliche Anwesenheit des Beteiligten zu 3 ausgestellten Tazkira mit dem (aus afghanischer Zeitrechnung umgerechneten) Ausstellungsdatum vom 21.5.2016 vorgelegt. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichteten Beschwerden der Beteiligten sind beim Oberlandesgericht ohne Erfolg geblieben.
[4] Mit ihren zugelassenen Rechtsbeschwerden verfolgen die Beteiligten zu 1 und 2 das Adoptionsbegehren weiter. Im Verlauf des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben sie die Abschrift eines vom afghanischen Generalkonsulat in Bonn am 12.11.2020 ausgestellten Reisepasses für den Beteiligten zu 3 vorgelegt.
B. [5] Die zulässigen Rechtsbeschwerden haben in der Sache keinen Erfolg.
I. [6] Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung das Folgende ausgeführt:
[7] Die Volljährigenadoption sei abzulehnen, weil die Klärung der Identität unabdingbare Voraussetzung für deren Durchführung sei. Das Bedürfnis nach Klärung der Staatsangehörigkeit ergebe sich schon daraus, dass das internationale Privatrecht an die Staatsangehörigkeit anknüpfe. Im Übrigen habe eine Adoption weitreichende Folgen auch für den Status des Anzunehmenden, der bei einer Volljährigenadoption mit den starken Wirkungen der Minderjährigenannahme Deutscher werden würde. Selbst eine Volljährigenadoption mit schwachen Wirkungen hätte noch zur Folge, dass die Behörde im Rahmen der Prüfung der Aufenthaltserlaubnis für den Anzunehmenden die Wertungen des Art. 6 Abs. 1 GG in seine Entscheidungsfindung einbeziehen müsste.
[8] Die Identität des Beteiligten zu 3 könne nicht festgestellt werden und es stünden dafür keine weiteren Ermittlungsansätze mehr zur Verfügung. Der Beteiligte zu 3 habe unterschiedliche Angaben zu seinem Geburtsort gemacht. Auch sein Geburtsdatum sei ungeklärt. Die vorgelegte Tazkira vom 21.5.2016 sei zum Identitätsnachweis nicht geeignet. Abgesehen davon, dass sie kein Geburtsdatum für den Beteiligten zu 3 angebe, sei die Tazkira in Abwesenheit des Beteiligten zu 3 nur auf der Grundlage des angebrachten Fotos ausgestellt worden, welches den Beteiligten zu 3 darstellen könne oder auch nicht. Keines der auf dem Vordruck vorgesehenen Felder für körperliche Merkmale (Größe, Augenfarbe, Augenbrauen, Hautfarbe, Haarfarbe) sei ausgefüllt, so dass diese Urkunde zum Beweis der Identität nicht geeignet sei. Der Beteiligte zu 3 habe zudem bei der Anhörung eingeräumt, dass er nicht genau wisse, ob das von ihm zuletzt angegebene Geburtsdatum (21.5.1999) richtig sei. Er habe dieses Datum aus den Angaben eines Bekannten abgeleitet, dass dessen Ehefrau etwa zur gleichen Zeit schwanger gewesen sei wie die Mutter des Beteiligten zu 3.
[9] Auch die weiteren Voraussetzungen für die Volljährigenadoption lägen nicht vor. Dies gelte insbesondere für die beantragten Wirkungen einer Minderjähri...