Im Zentrum des deutschen Rechts steht die "bürgerliche Ehe", die vom Staat registrierte, vom staatlichen Recht gestaltete Ehe, ihr gleichgestellt seit 2002 die eingetragene Lebenspartnerschaft. Der Staat macht heute den Paaren jeglichen Geschlechts und jeglicher sexuellen Orientierung das großartige Angebot, durch ein schlichtes Ja vor einer Behörde sich unter das Dach einer rechtlichen Struktur zu stellen, die umfassend gestaltetet ist, mit Schutzwirkungen nach außen und innen bis ins Steuer- und Sozialrecht hinein. Der Trauschein wirkt wie ein Impfpass, der viele Türen öffnet.
Selbst für die Beendigung der Ehe bietet der Staat eine komplette und komplexe Regelung mit Familiengericht und weitreichendem Anwaltszwang. Und auch die geschiedene Ehe ist noch eine der Familie zugehörige Rechtsbeziehung, wie der BGH erst kürzlich im Rahmen des Mietrechts erkannt hat.
Dass auch die Ehe "Familie" ist, sollte nicht bestritten werden. Für Art. 6 Abs. 1 GG wird das erstaunlicherweise zum Teil verneint, für die Gesamtrechtsordnung ist es aber selbstverständlich.
Wie aber steht es mit anderen Formen des Zusammenlebens, der "eheähnlichen Gemeinschaft", der "nichtehelichen Lebensgemeinschaft", der "verfestigten Lebensgemeinschaft", und wie sie alle heißen? Fallen sie unter den Familienbegriff, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Wirkungen?
Was Art. 6 Abs. 1 GG betrifft, hat sich das Bundesverfassungsgericht bisher nicht dazu verstanden, das ehelose Zusammenleben als solches dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 zu unterstellen. Allerdings hat das Gericht sich mit der "eheähnlichen Gemeinschaft" beschäftigen müssen, sie sogar definiert.
Dies geschah allerdings nicht, um sie unter den Schutz des Art.6 Abs. 1 GG zu stellen, sondern im Gegenteil: Es ging darum, dass nicht miteinander verheiratete Paare sozialrechtlich nur ja nicht bessergestellt werden dürfen als verheiratete; es ging um den Schutz der Ehe. Und so ist es meistens, wenn in den Gesetzen die Termini "eheähnliche Gemeinschaft" oder die "verfestigte Lebensgemeinschaft" und ähnliches vorkommen. Zweck ist oft, nichtverheiratete Paare nicht besser zu behandeln als Eheleute in gleicher Lage, siehe nur die Unterhaltsregelung in § 1579 Nr. 2 BGB.
Im deutschen Recht ist uns ein binäres System der Paarbeziehung überkommen: Entweder eine Paarbeziehung ist Ehe, dann gilt Eherecht als familienrechtlicher Kernkomplex. Oder sie ist nicht Ehe, dann gilt kein Eherecht und die Normen, die an "Ehe" anknüpfen, sind in aller Regel nicht einschlägig. Das heißt: Rechtswirkungen für ehelose Gemeinschaften müssen aus dem Persönlichkeitsrecht der Partner und aus ihrer Vertragsfreiheit hergeleitet werden, also nicht aus Art. 6 Abs. 1, sondern aus Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes.
Diese schöne Einteilung unterliegt Zweifeln. Wir sehen die "verfestigte Lebensgemeinschaft" heute auf dem Weg zur Familie. Dafür gibt es zwei Motoren.
1. Eine familienrechtliche Beziehung besteht eindeutig zwischen Eltern eines Kindes, auch wenn sie nicht miteinander verheiratet sind. Sie tragen gemeinsam die Verantwortung für das Kind, gleichgültig wie das Sorgerecht geregelt ist. Daraus entspringen Kooperationspflichten auch im Paarverhältnis, die im Gesetz eher angedeutet als geregelt sind. Diese Rechtsbeziehung unter den Eltern prägt auch die Fälle, in denen die Eltern mit den Kindern zusammenleben. Zwischen Ehe und Nichtehe schiebt sich also eine dritte Art von Paarbeziehung: die gemeinsame Elternschaft, die allerdings im Recht nicht als Paarbeziehung eigener Art ausgeformt ist.
2. Gesetzgebung und Rechtsprechung erkennen mehr und mehr, dass viele Interessen und Probleme des gemeinschaftlichen Lebens bei ehelichen und ehelosen Gemeinschaften ähnlich sind. Daraus entsteht ein Angleichungsdruck. Die Gleichbehandlung liegt überall da besonders nahe, wo das Recht auf psycho-soziale Näheverhältnisse Rücksicht nimmt, wie etwa auch bei Verlobten und Verwandten. Als "Familienangehörige" sind die ehelos Zusammenlebenden schon seit langem im Rahmen des dinglichen Wohnrechts und des Versicherungsvertragsrechts anerkannt.
Es gibt viele ähnliche Regelungen, wo man das eindeutig erwägen muss. Eine klare Linie ergibt sich in unserem Recht jedoch nicht. Die in Frage kommenden Regelungen finden sich verstreut über die gesamte Rechtsordnung. Die Lage ist vielmehr so, dass aus dem Mosaik der für nahe Angehörige geltenden Regeln von Zeit zu Zeit wieder ein neues Steinchen auch für die Lebensgefährten zur Verfügung gestellt wird.
Aus neuester Zeit ist eine Änderung der Strafprozessordnung vom 25.6.2021 zu nennen: Als "Verletzte" einer Straftat, durch die jemand zu Tode gekommen ist, werden nicht nur der Ehegatte, Verwandte in gerade Linie, Geschwister und Unterhaltsberechtigte angesehen, sondern auch der "in einem gemeinsamen Haushalt lebende Lebensgefährte". Daraus leiten sich verfahrensrechtliche Befugnisse ab. Der Begriff "Lebensgefährte" ist überhaupt im Vordringen begriffen.
Bedeutender noch...