Einmal vom BVerfG erfunden, machte die sozial-familiäre Beziehung eine bemerkenswerte Karriere. Sie dient einerseits der Stärkung rechtlicher Familienbeziehungen, andererseits der Begründung von Familienbeziehungen jenseits des familiären Status. Unser Gesetzgeber schloss messerscharf: Wenn das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zu einem Kind dem leiblichen Vater ein Umgangsrecht gibt, dann muss dies auch für andere enge Bezugspersonen gelten, die für das Kind tatsächliche Verantwortung tragen oder getragenen haben. Dafür soll ein Zusammenleben mit dem Kind in häuslicher Gemeinschaft über längere Zeit in der Regel genügen (§ 1685 Abs. 2 S. 2 BGB) – allein dadurch entsteht also "Familie", sogar auch noch für die Zeit nach der faktischen Trennung vom Kind (Umgangsrecht!). In meinen Augen ist das eine gewagte Annahme.
Es stellt sich die Frage nach den weiteren Folgen. Nach dem BVerfG geht es bei der sozial-familiären Beziehung um den "Schutz der sozialen Familie" als "dauerhafter Verantwortungsgemeinschaft". Dann fragt sich, ob dieser Tatbestand nur für Umgangsrecht und Auskunftsrechte bedeutsam ist oder nicht weitere familienbezogene Wirkungen auslösen müsste. Man kann das durchdeklinieren vom Erbrecht, Unterhalt bis hin zum Zeugnisverweigerungsrecht. Wenn es sich wirklich um Familie handelt, was sind die weiteren Konsequenzen?
Dabei fällt auf, dass die Lehre von der sozial-familiären Beziehung einseitig von den Interessen der Erwachsenen her konstruiert ist. Es geht nicht um Rechte des Kindes auf Umgang, ein solches Recht wird dem Kind gerade nicht gewährt. Es geht auch nicht um Auskunftsrechte des Kindes, sondern nur um Rechte der Bezugspersonen gegenüber dem Kind. Und es geht nicht um Pflichten: Die Umgangsberechtigten können sich jederzeit und folgenlos vom Kind auch wieder verabschieden. Dass der Umgang nur gewährt werden soll, wenn er dem Kindeswohl dient, beseitigt die Schieflage eines pflichtenlosen Umgangsrechts nicht. Hätten wir Kinderrechte im GG, so wäre es vielleicht schwieriger, die Einseitigkeit dieser Konstruktion zu tolerieren. Das Bundesverfassungsgericht schreibt den großartigen Satz: "Wer das Elternrecht für sich beansprucht, kann nicht nur Rechte gegenüber dem Kind einfordern, sondern muss auch Pflichten tragen". Aber was nutzt es dem Kind, wenn pflichtenlose Rechte dann aus dem Familiengrundrecht hergeleitet werden?