Kann man aus all dem ein Resümee ziehen? Sinn meiner Darlegung war es, einen Überblick darüber zu gewinnen, was die Familie im Recht ist und bedeutet, nicht aber um einzelne Probleme zu lösen. Doch ergeben sich einige allgemeine Thesen.

1. Dem Familiengrundrecht des Art. 6 Abs. 1 ist kein festes Familienbild zuzuordnen. Vielmehr strahlen seine Schutzwirkungen in unterschiedlicher Weise auf die verschiedenen familiären Verhältnisse aus. Deren Bedeutung steigt in dem Maße, in dem die förmliche Rechtsbeziehung durch eine psycho-soziale Verbundenheit belebt wird.

2. Es gibt Familie ohne Ehe und auch ohne Verwandtschaft. Der rechtliche Familienbegriff knüpft an die Statusbeziehungen an, ist aber von diesem Ausgangspunkt aus offen und variabel. Zumindest dort, wo Kinder involviert sind, bestimmt nicht nur die rechtliche Zuordnung, sondern der faktische psycho-soziale Zustand das Familienverständnis und auch den verfassungsrechtlichen Familienbegriff.

3. Bei der Anerkennung von Familienbeziehungen zwischen Kindern und Erwachsenen kraft psycho-sozialer Verbundenheit besteht im heutigen deutschen Recht noch kein zusammenhängendes Konzept. Es werden isoliert aus der Interessensphäre der Erwachsenen Umgangs- und Auskunftsrechte entwickelt, die weiteren Folgen und die Rechte des Kindes sind dabei nicht bedacht.

4. Es ist an der Zeit, auch die verfestigten ehelosen Paarbeziehungen als familienrechtliche Verhältnisse mit angemessenen Schutzwirkungen anzuerkennen. Wichtig wäre zu diesem Zweck die Entwicklung klarer und einheitlich verwendeter Begriffe. Die Einführung einer formgebundenen Verantwortungsgemeinschaft könnte diesen Regelungsbedarf nicht ersetzen.

Autor: Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Schwab, Regensburg

FF 2/2022, S. 53 - 62

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