Interview mit Dr. Bernd Scheiff, Präsident des OLG Köln
Einführung
Schnitzler/FF:
Kurz vor Weihnachten 2021 hat der damalige Justizminister Peter Biesenbach Ihnen in Düsseldorf die Ernennungsurkunde überreicht. Seit 12 Monaten sind Sie damit Chefpräsident des OLG Köln.
Scheiff:
Das ist zutreffend, konkret habe ich die Urkunde am 21.12.2021 erhalten. Ich feiere somit übermorgen mein "Einjähriges".
Schnitzler/FF:
Zwischenzeitlich haben wir ja auch einen neuen Bundesjustizminister, der im Kern zugesagt hat, den Pakt für den Rechtsstaat fortzusetzen. Dies scheint aber nicht so richtig voranzugehen, was auch der neue Justizminister des Landes Dr. Limbach angemahnt hat. Bei dem Pakt für den Rechtsstaat 2018 ging es ja im Wesentlichen wohl um eine Aufstockung des Personals.
Scheiff:
Eine verbesserte Personalausstattung – auch – der Justiz ist in der Tat Schwerpunkt des Pakts. Insoweit sind erhebliche Anstrengungen unternommen worden, die zur Schaffung neuer Stellen in allen Dienstzweigen geführt haben. Eine auskömmliche Personaldecke ist unabdingbar für die Handlungsfähigkeit des Rechtsstaats und zügige Gewährleistung von Rechtsschutz. Ich sehe den dringenden Bedarf für die Fortführung und Umsetzung des Pakts für den Rechtsstaat und begrüße einen entsprechenden Einsatz aller Justizministerien der Länder.
Schnitzler/FF:
Im jetzigen Stadium habe ich den Eindruck, dass es in erster Linie um die finanziellen Mittel für die Digitalisierung der Justiz und das Vorantreiben der elektronischen Akte geht.
Sehe ich das richtig?
Scheiff:
Neben der Verstetigung des Pakts für den Rechtsstaat hat der Bund die Unterstützung der Länder im Digitalpakt zugesagt. Das Vorantreiben der Digitalisierung in Nordrhein-Westfalen einerseits und mit dem Bund und allen Ländern zusammen andererseits ist von zentraler Bedeutung. Erfreulicherweise können wir konstant Fortschritte bei der Einführung der elektronischen Akte verbuchen. Das betrifft auch die Familiensachen; hier im Bezirk des Oberlandesgerichts Köln arbeiten bereits einige Amtsgerichte mit der elektronischen Akte. Weitere – wie etwa die Amtsgerichte Siegburg, Bergheim und Brühl – folgen zu Beginn des neuen Jahres.
Schnitzler/FF:
Hat der neue Justizminister Ihnen auf Landesebene zugesagt, dass das Land auch für den OLG-Bezirk Köln etwas vorsehen und wie er die Justiz stärken will?
Scheiff:
Für den Bereich des OLG-Bezirks Köln kann ich sagen, dass Minister Dr. Limbach und Staatssekretärin Dr. Brückner in engem Austausch mit uns stehen, die Belange der Gerichte vor Augen haben und sie insbesondere im Zusammenhang mit beabsichtigten Neuerungen sehr unterstützen.
Schnitzler/FF:
Auch in diesem Gespräch soll es um die Qualifizierung der Familienrichterinnen und Familienrichter gehen.
Scheiff:
Gerne.
Schnitzler/FF:
Bekanntlich hat der Bundestag in der vergangenen Legislaturperiode ein Gesetz zum Schutz vor sexueller Gewalt auf den Weg gebracht, das allerdings erst am 1.1.2022 in Kraft getreten ist. Im zweiten Teil dieses umfangreichen Gesetzes ist die Qualifizierung von unter anderem den Familienrichterinnen und Familienrichtern durchgesetzt worden.
Was hat inzwischen das Land, aber auch das OLG Köln für die weitere Ausbildung der Familienrichterinnen und Familienrichter unternommen und wie sieht diese Qualitätsoffensive im Konkreten im OLG-Bezirk Köln aus?
Scheiff:
Das Angebot an Fortbildungen ist auf Bundes- und Landesebene erweitert worden. Sowohl die deutsche Richterakademie als auch die Justizakademie des Landes Nordrhein Westfalen bieten zahlreiche Veranstaltungen an. Dazu gehören regelmäßig durchgeführte Fortbildungen zu den Themenbereichen "Anhörung von Kindern und Jugendlichen in familiengerichtlichen Verfahren", "Psychologie für Familienrichter", "Gestaltung kindschaftsrechtlicher Verfahren in Fällen elterlicher Partnerschaftsgewalt" oder "psychologische und sozialwissenschaftliche Grundlagen des Familienrechts" – dies nur beispielhaft.
Darüber hinaus hat das Oberlandesgericht Köln, noch bevor die Gesetzesänderung zum 1.1.2022 in Kraft getreten ist, eine Arbeitsgruppe "Familienrecht" gegründet, die sich dem Themenkomplex Aus- und Fortbildung widmet. Hier erfolgt ein regelmäßiger Austausch mit dem Ziel, die angebotenen Schulungen zu evaluieren sowie weiteren Fortbildungsbedarf nach § 23b GVG abzuklären und umzusetzen. Hierauf zurück geht etwa die – nunmehr landesweit geplante – Fortbildung zum Thema "Häusliche Gewalt und ihre Auswirkungen auf Kindschaftsverfahren unter besonderer Beachtung der Vorgaben der Istanbul-Konvention". Hier wurde auf den Umstand reagiert, dass Kenntnisse der Istanbul-Konvention nach den Vorgaben der Bundesregierung ebenfalls unter § 23b GVG fallen (vgl. dazu Antwort der Bundesregierung vom 17.6.2022 auf die kleine Anfrage zum Stand der Umsetzung der Istanbul-Konvention, Drucks. 20/2306, S. 5 f.).
Als bezirksweite Fortbildungen werden im Übrigen etwa angeboten Veranstaltungen zum formellen und materiellen Recht in Kindschaftssachen oder zu den Grundlagen der Kindesanhörung.
Ich bin den Mitgliedern...