Im Folgenden soll untersucht werden, ob die Privilegierung der Arbeitsleistungen die kategorische Aufgabe des Dogmas des Bundesgerichtshofs voraussetzt, oder ob man dies als einen Sonderfall zu betrachten hat. Hierzu sollen andere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in den Blick genommen werden, ob diese sich nicht – quasi aus der Vogelschau betrachtet – bereits zu einem stimmigen Bild zusammenfügen, ohne dass in das Analogieverbot des Bundesgerichtshofs grundlegend eingegriffen werden müsste.
Hierbei kommt der Umstand zu Hilfe, dass sich das Dogma des Bundesgerichtshofs mit den Ehegatten befasst und eheneutrale Vermögenserwerbe betrifft. Darum geht es hier aber nicht. Es sind zwei völlig verschiedene Ansatzpunkte.
Die folgenden Überlegungen gehen deshalb – nur als Gedankenexperiment – von der Richtigkeit der These des Bundesgerichtshofs aus, dass auf eheneutrale Vermögenserwerbe § 1374 Abs. 2 BGB nicht analog angewendet werden kann. Der Verfasser teilt diese Auffassung zwar nicht. Es kommt aber auf sie nicht an, da schwiegerelterliche Arbeitsleistungen insofern gar keinen Unterschied zu Schenkungen aufweisen. Man mag diese Auffassung des Bundesgerichtshofs teilen oder nicht: der Zugang zur Lösung des Problems der Arbeitsleistungen wird hierdurch nicht versperrt und muss an anderer Stelle zu finden sein. Der Bundesgerichtshof müsste seine Rechtsauffassung daher auch nicht aufgeben.
Welches sind nun die tatsächlichen Voraussetzungen und rechtlichen Instrumente für eine solche Lösung?
1. Lebensversicherungsentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.9.1995
Der Bundesgerichtshof hat bereits in einer früheren Entscheidung den Anwendungsbereich des § 1374 Abs. 2 BGB über seinen Wortlaut hinaus erweitert.
Er hat allerdings auch entschieden, dass ein Erwerbstatbestand privilegiert sein kann, wenn er zwar in der Vorschrift nicht ausdrücklich genannt ist, einem der enumerativ aufgezählten Fälle aber zugeordnet werden kann, etwa der Bezug einer Lebensversicherungssumme aus der Lebensversicherung eines verstorbenen Dritten dem Erbrecht. Er hat in der Entscheidung die zulässige "ausdehnende Auslegung" von der unzulässigen "ausdehnenden Analogie" abgegrenzt.
Der Sohn der Ehefrau aus deren erster Ehe hatte sie in zwei Lebensversicherungsverträgen als Bezugsberechtigte eingesetzt. Er verstarb noch vor der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens der zweiten Ehe. Im Streit war die Rechtsfrage der Privilegierung der ausbezahlten Versicherungssummen von insgesamt 121.000 DM (§ 1374 Abs. 1 BGB).
Mit überzeugender Begründung stellte der Bundesgerichtshof fest, dass § 1374 Abs. 2 BGB nach seinem Wortlaut nicht hätte angewendet werden dürfen. Es lag weder eine Schenkung vor noch einer der in der Vorschrift genannten erbrechtlichen Tatbestände.
Die Ehefrau hatte die Versicherungssummen nicht aus dem Vermögen des Sohnes erhalten, sondern vom Versicherer, gegen den allein ein Anspruch aus dem Vertrag zugunsten Dritter bestand. Eine Schenkung schied also aus.
Ebenso alle in § 1374 Abs. 2 BGB genannten erbrechtlichen Tatbestände, aus ähnlichen Gründen wie denen zur Frage der Schenkung: Die Lebensversicherungssummen fielen nicht in den Nachlass, weil der Anspruch in der Person der Mutter kraft des Bezugsrechts entstand (Vertrag – allein – zugunsten Dritter).
Dass der Bundesgerichtshof § 1374 Abs. 2 BGB dennoch anwandte, begründete er so:
a) Der Grundsatz der Teilhabe am Vermögen des anderen Ehegatten werde durch § 1374 Abs. 2 BGB auf Fälle beschränkt, für die typischerweise kennzeichnend sei, dass sie auf persönlichen Beziehungen des erwerbenden Ehegatten zu dem zuwendenden Dritten beruhen und dass deshalb ein daraus herrührender Vermögenserwerb vom Gesetz nicht als ein Erwerb bewertet wird, an dem der andere teilhaben soll.
b) Die vom Bundesgerichtshof bis dahin im ablehnenden Sinn entschiedenen Fälle hätten sich durch Erwerbstatbestände ausgezeichnet, die zwar eheneutral waren, andererseits aber keiner der in § 1374 Abs. 2 abschließend genannten Fallgruppen zugeordnet werden konnten. Die Lage sei aber dann anders zu beurteilen, wenn ein Erwerbstatbestand gegeben ist, dessen Zuordnung zu einem der in § 1374 Abs. 2 BGB aufgeführten Fälle sich aus einer am Sinn der gesetzlichen Regelung orientierten Auslegung ihrer Tatbestandsmerkmale ergibt. Denn das Verbot einer ausdehnenden Anwendung der Vorschrift auf andere, in § 1374 Abs. 2 BGB nicht erfasste Erwerbsvorgänge bedeute nicht, dass die verwendeten Rechtsbegriffe wie "Erwerb von Todes wegen" oder "Erwerb mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht" nicht ihrerseits inhaltlich auslegungsbedürftig und auslegungsfähig wären. Vielmehr steht es mit der Regelung im Einklang, im Wege der Auslegung auch solche Vermögenswerte einzubeziehen, die ihrer Art und Herkunft nach als Anwendungsfälle jener privilegierten Erwerbsvorgänge anzusehen sind. Eine solche Auslegung verstöße nicht gegen das Analogieverbot.
c) Nach diesen Grundsätzen sei der vorliegende Fall dem Erwerb von Todes wegen bzw. dem ihm inhaltlich entsprechenden, lediglich in die Lebzeit des Erblassers ...