Eine in letzter Konsequenz dem Wohl des Kindes dienende Intervention, die immer auch präventive Aspekte der Konfliktminderung und Konfliktvermeidung berücksichtigt, sollte allerdings nicht erst zum Zeitpunkt einer Konflikteskalation, sondern als Leistungsangebot (auch) der Jugendhilfe nach § 17 SGB VIII (KJHG) den Zeitraum des Beginns der häufig Jahre zurückliegenden Konfliktlagen in Familien erfassen.
Dabei kann zwischen primärer, sekundärer und tertiärer Prävention unterschieden werden.
Primäre Prävention würde beispielsweise die Vermittlung interpersonaler Fertigkeiten und die Bewältigung potenziell krisenhafter Situationen umfassen.
Eine sekundäre Prävention dient der Erörterung vorbeugender Maßnahmen für Familien, bei denen das Risiko des Auftretens konfliktträchtiger und somit dysfunktionaler Abläufe besonders groß ist.
Eine tertiäre Prävention schließt die Rückfallprophylaxe ein, nachdem bereits durch anhaltenden Streit oder sonstige Gegebenheiten das Funktionsniveau der Familie beeinträchtigt war. Dabei soll mit dieser Präventionsart durch Stabilisierung der Familie ein Wiederaufleben des ursprünglichen Problemverhaltens verhindert werden.
Im Rahmen einer derartigen präventiv angelegten Mediation, Beratung oder Familientherapie muss nicht die Erhaltung der Familie im Vordergrund stehen, sondern vor allem das Einüben zwischenmenschlich akzeptabler und zufrieden stellender Kontakt-, Beziehungs- und Umgangsformen in Krisenzeiten.
Dem Gedanken, eine Mediation, psychologische Beratung oder Familientherapie bereits frühzeitig durchzuführen oder eine derartige Intervention während der akuten Krise anzubieten, ist inzwischen das erwähnte und am 1.1.1991 in Kraft getretene Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) und das Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 1.7.1998 nachgekommen.
Unklar bleibt jedoch nach dem Wortlaut des § 163 Abs. 2 FGG-RG, worauf der vom Gericht bestellte Sachverständige zuerst hinarbeiten soll, auf Einvernehmen oder auf die Erstellung eines Gutachtens.
Aus familienrechtspsychologischer Sicht hat der Sachverständige zunächst die erforderlichen Daten zu erheben, um sodann das erarbeitete Material dem betreffenden Personenkreis zur Kenntnis zu bringen, um nun gegebenenfalls Alternativen, neue Möglichkeiten oder Veränderungen möglich zumachen. Würde der Sachverständige zuerst auf Einvernehmen hinwirken, hätte er beispielsweise im Fall eines Abbruchs der Kontakte kein Material zur Verfügung, ein Gutachten nach Lage des Beweisbeschlusses zu erstellen. Deshalb sollte die Reihenfolge klar sein:
- Erhebung aller relevanten Daten und Durchlaufen des gesamten diagnostischen Erkenntnisprozesses
- Hinwirken auf Einvernehmen, wobei der Beginn des Hinwirkens bereits während der Begutachtung erfolgen kann (z.B. eine neue Umgangsregelung ausprobieren)
Im Übrigen ist die Annahme, dass nunmehr die Grundannahmen des Cochemer Modells auch im § 163 Abs. 2 FGG-RG integriert sind, nicht nachvollziehbar, denn der Wortlaut der Vorschrift ist eindeutig: Das Gericht kann beschließen, dass der Sachverständige auf Einvernehmen hinwirken soll. Es handelt sich somit um kein obligatorisches, regelmäßiges Vorgehen, sondern um eine spezielle Leistung, die nur nach Anordnung des Gerichts möglich ist – ich behaupte ein Rückschritt in Bezug auf die derzeitigen Möglichkeiten des Sachverständigen, der nach geltendem Recht zwar als Hilfsperson des Gerichts – in Anlehnung an den Sinngehalt des § 52 FGG – in jedem Stand des Verfahrens auf Einvernehmen der Beteiligten hinzuwirken kann.
Wenn also nach der neuen und klarstellenden Vorschrift des § 163 Abs. 2 FGG-RG keine derartige Anordnung vom Familiengericht getroffen wird, stellt sich die Frage, ob auch dann der Sachverständige auf Einvernehmen hinwirken darf oder ob nun in diesen Konstellationen ein derartiges Vorgehen nicht (mehr) erlaubt ist.