Wie die entsprechende Bezugnahme zeigt, wird von den Instanzgerichten aus der Entscheidung des BGH vom 16.7.2008 (s.o. unter II. 1) gefolgert, dass der BGH auch nach der neuen Gesetzesfassung einem geänderten Altersphasenmodell seinen "Segen" gegeben habe; diejenigen Oberlandesgerichte mit entsprechenden unterhaltsrechtlichen Leitlinien (s.o. unter I. 3) dürften sich dadurch bestätigt sehen. Eine derart weitreichende Schlussfolgerung begegnet Bedenken in mehrfacher Hinsicht.
a) Vorgabe des BVerfG
In seiner – in das seinerzeit laufende Gesetzgebungsverfahren hineinplatzenden – Entscheidung hat das BVerfG die unterschiedlich ausgestalteten Ansprüche auf Betreuungsunterhalt von Müttern ehelicher und solchen nichtehelicher Kinder beanstandet, konkret den Umstand, dass dem kindesbetreuenden geschiedenen Ehegatten aus Gründen des Kindeswohls auf der Basis des "Altersphasenmodells" ein deutlich längerer Unterhaltsanspruch zuerkannt wurde als einem ein nichteheliches Kind betreuenden Elternteil; gebilligt wurde dagegen die grundsätzliche Begrenzung des Anspruchs auf drei Jahre. Das BVerfG hat ausgeführt, dass es zunächst Sache des Gesetzgebers sei zu entscheiden, wie lange er unter dem Aspekt des Kindeswohls eine persönliche Betreuung des Kindes durch den einen Elternteil für erforderlich und entsprechende Unterhaltszahlungen für den anderen Elternteil für zumutbar halte. Außerdem habe der Gesetzgeber in Form eines gesetzlichen Anspruchs auf einen Kindergartenplatz ab dem dritten Lebensjahr eine ausreichende Kindesbetreuung während der arbeitsbedingten Abwesenheit des betreuenden Elternteils gewährleistet.
b) Gesetz und Begründung
Ein Regel-Ausnahme-Prinzip ist nunmehr für alle Fälle von Betreuungsunterhalt einheitlich durch das Gesetz ausgestaltet:
- Ausgangspunkt ist der "Basisunterhalt" von drei Jahren; auch wenn eine Versorgung durch Dritte möglich wäre, kann sich der Elternteil für eigene Kindesbetreuung entscheiden.
- Für die Zeit danach besteht eine Verlängerungsmöglichkeit, soweit und solange dies der Billigkeit entspricht; entscheidend sind in erster Linie kindbezogene Gründe, konkret z.B. in Form besonderer Betreuungsbedürftigkeit. Daneben kommen – in ihrer Bedeutung reduzierte (s.o. unter 3 a) – elternbezogene Belange als Grund für eine Anspruchsverlängerung in Betracht. Nach der Gesetzesbegründung kommt es für die Frage, ob Kindesbelange berührt sind, darauf an, ob das Kind in besonderem Maße betreuungsbedürftig ist. Hier soll eine Orientierung an der bisherigen Rechtsprechung zu den "kindbezogenen Belangen" bei § 1615 l Abs. 2 S. 2 BGB stattfinden.
Gesetz und Begründung stellen damit gerade keine Grundlage dafür dar, sich schematisch nach dem Alter des Kindes zu richten; vielmehr ist auf den Einzelfall abzustellen, wobei konkrete Betreuungssituation und individuelle Belange des Kindes von Bedeutung sind. Dass die gesetzliche Neuregelung keinen abrupten, übergangslosen Wechsel von der "Basiszeit" zu einer vollschichtigen Tätigkeit verlangt, was in der aktuellen Rechtsprechung mit der Ablehnung des Modells "von Null auf Hundert" beschrieben wird (E 7, 12, 14), ändert daran nichts.
Als Kontrollüberlegung ist zu fragen, ob der pauschale Ansatz "kleines Kind – hoher Betreuungsaufwand, älteres Kind – geringerer Betreuungsaufwand" wirklich richtig ist; vielfach dürfte das Gegenteil anzunehmen sein. Eine erste Erhöhung des Betreuungsbedarfs findet beim Wechsel des Kindes vom Kindergarten in die Schule statt; Umfeld und Anforderungen ändern sich. Eine zweite Belastung tritt auf, wenn das Kind zur weiterführenden Schule wechselt; neben dem neuen räumlichen Umfeld ändert sich auch die soziale Umgebung; statt einer Lehrerin treten jetzt mehrere Lehrer auf, in der Mehrheit kommen neue Klassenkameraden hinzu. Die dritte Belastung wird regelmäßig in der Pubertät des Kindes eintreten; jeder, der Kinder in diesem Alter groß gezogen hat, kennt die grundlegend anderen Anforderungen und Schwierigkeiten bis hin zu Maßnahmen, die verhindern, dass Kinder "aus dem Ruder laufen" und dadurch möglicherweise ein irreparabler "Karriereknick" eintritt. So manches rebellische Kleinkind ist durch die Grundschule "gezähmt" worden, so wie – umgekehrt – die Pubertät bei einem bisher unauffälligen Kind für einen Wandel zum "Querkopf" auf allen Ebenen sorgen kann. Ein nur am Alter ausgerichteter Ansatz, der sinkenden Betreuungsbedarf bei steigendem Alter annimmt, wird dem nicht gerecht.