1. Einleitung
Am 4.2.2010 haben aus Anlass des deutsch-französischen Gipfels beide Regierungen einen Staatsvertrag unterzeichnet, mit dem Neuland betreten wird. Mit dem Vertrag wird materielles Zivilrecht geschaffen, das in beiden Ländern gleichermaßen gilt. Der Vertrag unterscheidet sich grundlegend von den bereits eingeführten Abkommen wie dem Haager Unterhaltsübereinkommen oder dem Minderjährigenschutzabkommen. Diese vereinheitlichen lediglich das internationale Privatrecht und regeln, welches nationale materielle Recht im Einzelfall Anwendung finden soll. In dem Vertrag über den Wahlgüterstand wird stattdessen erstmals einheitliches materielles Recht auf dem Gebiet des Familienrechts für Deutschland und Frankreich geschaffen.
2. Das Zustandekommen des Vertrages
a) Die Kommission
Das Projekt des gemeinsamen deutsch-französischen Güterstandes geht auf eine Initiative der damaligen Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin und ihres französischen Amtskollegen zurück. Deutschland und Frankreich wollten auf dem Gebiet der Rechtsvereinheitlichung eine Vorreiterrolle übernehmen. Da die Europäische Union keine Zuständigkeit für das Zivilrecht hat, kann die Rechtsangleichung nur im Verhältnis einzelner Mitgliedsstaaten der Union vorangebracht werden. Die Zusammenarbeit der beiden Regierungen in Paris und Berlin, namentlich der beiden Justizministerien ist so intensiv, wie das zwischen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sonst kaum anzutreffen ist. Das ist für dieses Projekt genutzt worden, das Nachahmer finden soll.
Eine speziell dafür gebildete Kommission aus beiden Staaten hat sich der Aufgabe gestellt, im Bereich des ehelichen Güterrechts einen neuen Güterstand zu erarbeiten, der in gleicher Form sowohl in Deutschland wie in Frankreich gewählt werden kann. Die Kommission soll erwähnt werden, weil an ihr von Anfang an die Praxis gleichgewichtig mit den Beamten der Ministerien beteiligt war. Die Praxis wurde nicht darauf beschränkt, sich zu dem fertigen Ministerialentwurf zu äußern. So konnte von der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des DAV ihr Ausschussmitglied Eva Becker praktische Erfahrung einbringen, und für den Ausschuss Familienrecht der Bundesnotarkammer konnte der Verf. aus der Sicht der Kautelarpraxis mitwirken.
b) Der Ausgangspunkt
Die Rechtsordnungen in Deutschland und Frankreich kennen beide den Güterstand der Zugewinngemeinschaft. In Deutschland ist das bekanntlich der gesetzliche Güterstand, in Frankreich ein Wahlgüterstand, der vertraglich vereinbart werden kann. Das definierte Ziel war, diese Güterstände anzugleichen. Bei näherer Betrachtung ergeben sich erhebliche Unterschiede in beiden Ländern. Der französische Güterstand kann seine Herkunft aus der Gütergemeinschaft, die der gesetzliche Güterstand in Frankreich ist, nicht verleugnen. Das zeigt sich besonders bei der Behandlung des Anfangsvermögens, bei dem die einzelnen Gegenstände bis zum Ende des Güterstandes verfolgt und mit dem jeweils letzten Wert angesetzt werden, um Wertsteigerungen des Anfangsvermögens vom Ausgleich auszuschließen. Die erheblichen praktischen Anwendungsprobleme haben dazu geführt, dass der Güterstand der Zugewinngemeinschaft in Frankreich bisher kaum verwendet wird.
Die französische Seite interessierte sich besonders dafür, warum die Zugewinngemeinschaft in Deutschland anders als in Frankreich ein Erfolgsmodell geworden ist. Die Kommission verständigte sich dann rasch darauf, das deutsche System zur Grundlage des auszuarbeitenden gemeinsamen Projektes zu machen. Das erwies sich in der Durchführung als unerwartet schwierig. Probleme ergeben sich aus den Querverbindungen, die ein Güterstand zwangsläufig zu der übrigen Rechtsordnung des Landes hat. So sind etwa die Verfügungsverbote (§ 1365 BGB) in Deutschland Teil des Güterstandes und damit disponibel. Vergleichbare Regelungen sind in Frankreich Gegenstand des régime primaire, das zwingend ausgestaltet ist. Das französische Zivilrecht kennt das Abstraktionsprinzip des deutschen BGB nicht, wodurch Verfügungsverbote ganz anders wirken, als wir es kennen. Die deutsche Praxis, beim Wert des Anfangsvermögens die inflationsbedingte Steigerung herauszurechnen, stieß auf fast unüberwindbare Kollisionen mit dem französischen Währungsrecht. Verursacht durch diese Schwierigkeiten hat es fast zwei Jahre gedauert, bis ein abgestimmter einheitlicher Text vorlag.
3. Der Wahlgüterstand
Der Text, der nun in beiden Ländern Gesetz werden wird, lehnt sich weitgehend an den deutschen gesetzlichen Güterstand an. Dabei ist Grundlage schon die reformierte Fassung, wie sie seit dem 1.9.2009 gilt, allerdings ohne die Änderungen, die sich erst aus dem parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren ergeben haben. Der Gesetzeswortlaut mag vielfach fremd erscheinen. Das ist aber nur eine Folge der Zweisprachigkeit. Die deutsche und die französische Rechtssprache sind sehr verschieden. Es wird erwartet, dass durch die gefundenen Formulierungen eine gleiche Bedeutung in beiden Rechtsordnungen erreicht wird.
Zur Darstellung des neuen Wahlgüterstandes werden deshalb am einfachsten die Abweichungen vom deutschen gesetzlich...