Eva Becker
Familienrechtler arbeiten bekanntermaßen häufig – und gelegentlich hat man sogar den Eindruck: gerne –, ohne eine angemessene Vergütung für ihre Tätigkeit zu beanspruchen.
Ob die Gründe hierfür in einem besonders ausgeprägten sozialen Engagement oder in weniger ausgebildeten betriebswirtschaftlichen Kompetenzen zu suchen sind, wollen wir an dieser Stelle gnädig dahinstehen lassen.
Fest steht jedenfalls, dass Arbeit ohne Vergütung – auch Familienrechtlern – nur in Ausnahmefällen erlaubt ist. Das hat seinen guten Grund, denn der Sinn der gesetzlichen Regelung besteht in der Verhinderung eines Preiskampfes, in dessen Folge die Qualität der Beratung zweifellos sinken würde. Diese Betrachtungsweise mag zwar aus europäischer Sicht bestenfalls als altmodisch gelten, sie ist in Deutschland aber noch geltendes Recht.
Nun scheint der Gesetzgeber mit den Familienrechtlern endlich ein Einsehen gehabt zu haben und hat ihnen, damit sie ihre Neigungen ausleben können – neben den reduzierten Gebühren in Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfeverfahren –, § 135 Abs. 1 FamFG beschert: Danach kann das Gericht in Familiensachen anordnen, dass die Ehegatten einzeln oder gemeinsam an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung anhängiger Folgesachen bei einer von dem Gericht benannten Person oder Stelle teilnehmen und eine Bestätigung hierüber vorlegen.
Informationsgespräch, außergerichtliche Streitbeilegung – das klingt gut! Und schon gibt es die ersten Listen, in die man sich eintragen kann, wenn man sich dem Gericht kostenlos zur Verfügung stellen will.
Aber sollten wir das wollen?
Interessenvertretung, unsere ureigenste Aufgabe, ist nicht gefragt. Vergleichsverhandlungen zu führen, ist ebenfalls nicht Auftrag der richterlichen Weisung. Die Hoffnung, Mandate auf diesem Wege zu akquirieren und die Einigung der Eheleute – gegen eine angemessene Vergütung – moderieren zu können, mag gelegentlich erfüllt werden. Allerdings sollten nach unserem Selbstverständnis im gerichtlichen Streit befangene – und regelmäßig anwaltlich vertretene – Eheleute von ihren Bevollmächtigten auf ihre Einigungsfähigkeit geprüft und ggf. auf derartige Möglichkeiten bereits hingewiesen worden sein. Immerhin könnten Familienrechtler gerade durch Erfolg in diesen wenigen Fällen ihre Kompetenz als Streitschlichter herausstellen und ihr Tätigkeitsgebiet ausweiten.
Allerdings ist der Preis hierfür hoch: Nicht nur die zahllosen folgen- und damit kostenlosen (betriebswirtschaftlich: unbezahlten) Informationsgespräche schlagen hier zu Buche, sondern vor allem der Eindruck, Familienanwälte sind ohne Weiteres bereit zu arbeiten, ohne eine Vergütung hierfür zu erhalten. Richtig teuer käme der Schluss, wir würden bereitwillig immer mehr Aufgaben der Justiz ohne Vergütung übernehmen. Denn in § 278 Abs. 5 ZPO, an den § 135 FamFG sich anlehnen soll, übernimmt den Hinweis der Richter, und auch in Kindschaftssachen (§ 156 FamFG) traut sich die Justiz diese Aufgabe selbst zu.
Es bleibt zu hoffen, dass sich Richter bei der Anwendung dieser Vorschrift vergegenwärtigen, dass die vornehme Aufgabe, Rechtsfrieden zu schaffen, eben auch bedeutet, eine streitige Entscheidung nicht ohne Not zu verzögern. Sie sollten ihre Aufgabe, zur Güte zu verhandeln, ernst nehmen und wenn sie damit keinen Erfolg haben, den Eheleuten eine Entscheidung nicht – zumindest vorläufig – verwehren durch die – unanfechtbare (!) – Anordnung eines Informationsgesprächs.
Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Justiz sich selbst "outsourct" – kostenlos. Eigentlich ein genialer Gedanke – oder nicht?