Dr. Eva Niebergall-Walter
Die Entwicklungen in der Unterhaltsrechtsprechung unter besonderer Berücksichtigung der seit 1.1.2008 geltenden Neuerungen waren Gegenstand der letztjährigen Umfrage bei den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht in allen OLG-Bezirken.
Der erste Teil des Fragenkomplexes befasste sich dabei mit der Erwerbsobliegenheit und den Anforderungen der Rechtsprechung an die Erwerbsbemühungen.
Dass dem Unterhaltspflichtigen zur Sicherung des Mindestunterhalts eines minderjährigen Kindes die Aufnahme einer Nebentätigkeit abverlangt wird, ist in den meisten Bezirken die Regel.
Zumutbar sind in diesem Zusammenhang Tätigkeiten in einem zeitlichen Umfang von 15 bis 40 Stunden und pauschalierte Einnahmen von 200,00 EUR bis schwerpunktmäßig 400,00 EUR im Monat, immer unter Berücksichtigung der notwendigen Erholungszeiten.
Aufhorchen lassen die Anforderungen im Rahmen der allgemeinen Erwerbsobliegenheit. Wenn hier die Gerichte in mehr als der Hälfte der OLG-Bezirke statt der anderswo üblichen 10 bis 20 Bewerbungen sogar 20 bis 30 Bewerbungen im Monat verlangen und Blindbewerbungen nur teilweise akzeptiert werden, stellt sich die Frage, ob dies noch der wirtschaftlichen Realität entspricht.
Wesentlich folgerichtiger und der tatsächlichen Situation am Arbeitsmarkt eher angepasst erscheint die in einem Drittel aller Bezirke bestehende Verpflichtung, sich sofort bundesweit zu bewerben, während in anderen Bezirken von bundesweiter Bewerbung erst nach einem halben bis einem Jahr ergebnisloser Bemühungen vor Ort die Rede ist.
Ob es richtig und sinnvoll ist, die Kindesbelange in diesem Zusammenhang zurückzustellen, mag an anderer Stelle diskutiert werden.
Tatsächlich wird nach den Umfrageergebnissen fast einheitlich von den Unterhaltsverpflichteten eine überregionale Stellensuche auch dann gefordert, wenn er/sie die Kinder betreut oder sein/ihr Umgangsrecht durch den Umzug beeinträchtigt wird. Geschlechterspezifische Unterschiede bestehen kaum – die bundesweite Erwerbsobliegenheit trifft durchgehend sowohl betreuende Väter wie Mütter.
Die Dauer der Ehe spielt in 60 % der Fälle für die Erwerbsobliegenheit eine Rolle. Vereinzelt bejahen die Gerichte schon nach 5 bis 8 Jahren, in der Regel jedoch erst nach 10, 15 oder 20 Jahren das Vorliegen einer langen Ehedauer.
Erfolgt eine Zurechnung fiktiven Einkommens, legt die Rechtsprechung in gleicher Häufigkeit das Einkommen aus früher ausgeübter Vollzeitbeschäftigung wie das auf Grund der Berufsausbildung hypothetisch erzielbare Einkommen zugrunde.
Ein Stundensatz wird eher selten angesetzt. Dieser bewegt sich dann bei Ungelernten zwischen 7,00 EUR und 10,00 EUR, bei vorhandener Ausbildung zwischen 10,00 EUR und 15,00 EUR, wobei in der Hälfte der OLG-Bezirke Unterschiede in der Höhe der Stundensätze zwischen Männern und Frauen festzustellen sind.
Die Fortführung eines (neuen) Altersphasenmodells sowie Herabsetzung und zeitliche Befristung des Unterhalts waren Gegenstand des zweiten Teils der Umfrage.
Um es vorwegzunehmen: Der Wunsch des Gesetzgebers nach mehr Einzelfallgerechtigkeit wird trotz der damit verbundenen Unsicherheit bei Beratung und Prozessführung angenommen.
Etwa 55 % der Befragten sprechen sich dafür aus, in Anlehnung an die Entscheidung des BGH vom 18.3.2009 den wie auch immer gearteten Altersphasenmodellen eine Absage zu erteilen.
Vertreter der gegenteiligen Auffassung argumentieren u.a., dass "die Rechtsprechung kein Wunschkonzert" sei.
Die zahlenmäßigen Vorschläge für ein neues Altersphasenmodell sind vielfältig und reichen exemplarisch von den Altersstufen 3/5/10 oder 3/6/9/12 über 3/6/15 bis 8/12 bzw. 8/15. In den meisten Vorschlägen enthalten ist der gesetzlich verankerte Einsatzzeitpunkt von drei Jahren.
Teilweise wird auch die Rückkehr zu der bisherigen Handhabung gewünscht. Als weitere Regularien sollen die Anzahl der Kinder und die Betreuungsmöglichkeiten Berücksichtigung finden.
Die Instrumentarien der Herabsetzung und Befristung des Unterhalts werden bundesweit regelmäßig nebeneinander angewandt.
Selten wird nur von jeweils einer der beiden Möglichkeiten Gebrauch gemacht. Immer erfolgt eine Überprüfung der Herabsetzungsmöglichkeit, wenn eine Befristung abgelehnt wurde.
Von Herabsetzung und/oder Befristung betroffen sind auch die Unterhaltsansprüche wegen Alters, Krankheit und Erwerbslosigkeit, letztere bilden einen Schwerpunkt in allen OLG-Bezirken.
Vorsichtig ausgedrückt "unübersichtlich" wird es, wenn man nach der Dauer der Befristung fragt.
Es ist keinerlei Einheitlichkeit erkennbar. Weder können signifikante kürzere oder längere Zeiträume schwerpunktmäßig einem der existierenden Unterhaltstatbestände zugeordnet werden, noch ist innerhalb eines Unterhaltstatbestandes eine Regelmäßigkeit in der Rechtsprechung der verschiedenen OLG-Bezirke feststellbar.
Hier kommt wohl der bereits an anderer Stelle angesprochene Wunsch nach Einzelfallgerechtigkeit zum Tragen.
Dafür spricht, dass beispielsweise
- der Zeitrahmen bei Altersunterhalt bei bis zu 8, 11 oder 15 ...