VersAusglG § 18 Abs. 1, 2
Leitsatz
Ist ein Versorgungsanrecht im Rahmen der Geringfügigkeitsprüfung gem. § 18 Abs. 1 VersAusglG zu berücksichtigen und führt dies nicht zum Absehen der Durchführung des Versorgungsausgleiches, ist zu prüfen, ob ein Ausschluss gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG in Betracht kommt. Ist das einzelne Versorgungsanrecht in diesen Fällen i.S.d. § 18 Abs. 2 VersAusglG geringfügig, ist im Regelfall vom Ausgleich abzusehen.
OLG Nürnberg, Beschl. v. 24.11.2010 – 11 UF 1504/10 (AG Weiden)
1 Aus den Gründen:
… II. Für das Verfahren ist das seit dem 1.9.2009 geltende Prozessrecht und materielle Recht anzuwenden, weil in erster Instanz vor dem 1.9.2010 zum Versorgungsausgleich eine Endentscheidung noch nicht erlassen worden war, § 48 Abs. 3 Vers-AusgIG.
Die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung ist gem. §§ 58 ff. FamFG statthaft und zulässig. Die Beschwerdeführerin ist gem. § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdeberechtigt, weil sie sich auf ein Betroffensein in eigenen Rechten berufen kann. Dies beruht vorliegend auf § 10 Abs. 2 VersAusglG. Die Ehegatten haben in der gesetzlichen Ehezeit vom … 1999 bis zum 31.5.2009 (§ 3 Abs. 1 VersAusglG) Versorgungsanrechte ausschließlich in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Es handelt sich bei diesen Anrechten um solche gleicher Art i.S.d. § 10 Abs. 2 VersAusglG. Dennoch sind diese Anrechte grundsätzlich gem. § 1 VersAusglG gesondert auszugleichen. Eine Saldierung bereits im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung findet, im Gegensatz zum früheren Recht, auch bei gleichartigen Anrechten nicht statt. Bei dem Vollzug des Ausgleiches ist allerdings, wenn die Versorgungsanrechte bei demselben Versorgungsträger, vorliegend der Deutschen Rentenversicherung, erworben worden sind, nur die Höhe des Wertunterschiedes nach Verrechnung auszugleichen, § 10 Abs. 2 VersAusglG. Die Deutsche Rentenversicherung … und die Rentenversicherung … sind insoweit als "derselbe" Versorgungsträger zu behandeln, weil die gesetzliche Rentenversicherung gem. § 126 SGB VI als einheitliches Versorgungssystem anzusehen ist (vgl. Borth, Versorgungsausgleich, 5. Aufl., Rn 524). Durch die nicht erfolgte Einbeziehung der von der Ehefrau erworbenen Versorgungsanrechte ist die Beschwerdeführerin in eigenen Rechten betroffen, weil beim Vollzug des Ausgleichs ein anderer Betrag auszugleichen ist, als dies bei Einbeziehung der von der Antragsgegnerin erworbenen Anrechte der Fall wäre.
Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Recht von dem Ausgleich der von der Antragsgegnerin in der Ehezeit bei der Deutschen Rentenversicherung … erworbenen Anrechte abgesehen.
Die Deutsche Rentenversicherung … hat den Ehezeitanteil dieser Anrechte mit 0,6416 Entgeltpunkten berechnet und vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 0,3208 Entgeltpunkten, korrespondierender Kapitalwert 1.971,29 EUR, zu bestimmen. Der Ausgleichswert dieses Anrechtes mit einem Kapitalwert von 1.971,29 EUR übersteigt nicht den Grenzwert gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG in Höhe von 3.024 EUR. Dieser Grenzwert berechnet sich gem. § 18 Abs. 3 VersAusglG in Höhe von 120 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV (= 2.520 EUR x 120 % = 3.024 EUR).
Gemäß § 18 VersAusglG sollen Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert oder einer geringen Differenz der Ausgleichswerte nicht ausgeglichen werden. Die Ausgestaltung des § 18 VersAusglG als Soll-Vorschrift ermöglicht es dem Gericht jedoch, nach pflichtgemäßem Ermessen abzuweichen, wenn besondere Umstände dies gebieten (Johannsen-Henrich, Familienrecht, 5. Aufl., Rn 2 zu § 18 VersAusgIG). Bei Anwendung der Vorschrift ist zunächst zu prüfen, ob gem. § 18 Abs. 1 VersAusgIG die Differenz der Kapitalwerte der Ausgleichswerte der gleichartigen Anrechte der beiden Ehegatten den genannten Grenzwert übersteigt. Nur wenn dies der Fall ist, kommt die Anwendung des § 18 Abs. 2 VersAusgIG in Betracht (vgl. OLG München FamRZ 2010, 1064 ff.).
Der Antragsteller hat in der gesetzlichen Ehezeit gegenüber der Beschwerdeführerin Anrechte in Höhe von 7,7025 Entgeltpunkten erlangt. Die Beschwerdeführerin hat vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 3,8513 Entgeltpunkten, korrespondierender Kapitalwert 23.665,93 EUR, zu bestimmen. Der Differenzbetrag der Kapitalwerte der Ausgleichswerte beläuft sich auf 21.694,74 EUR (23.665,93 EUR – 1.971,29 EUR) und übersteigt damit den Grenzwert von 3.024 EUR erheblich, weshalb ein Absehen von der Durchführung des Versorgungsausgleichs gem. § 18 Abs. 1 VersAusgIG ausscheidet.
Zu der Frage, ob dann, wenn, wie vorliegend, ein Absehen gem. § 18 Abs. 1 VersAusgIG nicht in Betracht kommt, einzelne in die Bewertung gem. § 18 Abs. 1 VersAusgIG einzubeziehende Anrechte aber geringfügig im Sinn des § 18 Abs. 3 VersAusgIG sind, ein Ausschluss gem. § 18 Abs. 2 VersAusgIG erfolgen kann, werden in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen vertreten. Einerseits wird vertreten, dass, wenn die vorrangige Anwendung des § 18 Abs. 1 VersAusgIG nicht zum Ausschluss führt, auch ein Au...