Ging es bislang im weiteren Sinn um das Vertrauen in ein bestimmtes Verhalten des Ehepartners und damit um eine Verhaltenserwartung an den (Ehe)Partner, so möchte ich nun das Vertrauen in die Beibehaltung einer bestimmten Rechtslage, also in den rechtlichen status quo, thematisieren. Konkret geht es hierbei um die Frage, ob eine Reform auch Altfälle einfach schlucken kann. Die Situation ist in diesem Punkt deutlich prekärer.
Das neue Unterhaltsrecht enthält kein Übergangsrecht für Altehen. Es gilt seit 1.1.2008 für alle Unterhaltsansprüche, auch wenn das zugrunde liegende Rechtsverhältnis – gegebenenfalls sogar lange – vorher begründet wurde. Die Gesetz gewordene Übergangsvorschrift des § 36 EGZPO gilt nur für Fälle, in denen vor Inkrafttreten des Gesetzes bereits ein vollstreckbarer Titel errichtet oder eine Unterhaltsvereinbarung getroffen wurde, also nur bei den schon rechtlich geregelten Unterhaltsansprüchen. Bestand noch kein Titel, ist demnach – ohne dass die Prüfung des Vertrauensschutzes besonders angeordnet wäre – auch auf jahrzehntelange Hausfrauenehen das neue Recht in vollem Umfang uneingeschränkt anwendbar. Dieses Fehlen eines Übergangsrechts stieß von Anfang an auf erhebliche Bedenken. Zwar ermöglichen die unbestimmten Rechtsbegriffe und die vom Familienrichter vorzunehmenden Billigkeitserwägungen theoretisch den Schutz von Altehen, zuverlässig ist dieser Schutz aber nicht. Die Vorschriften sind insoweit zu offen und zu wenig konkret, da keine Grundlinie vorgegeben ist, ab wann Vertrauen absolut schutzwürdig ist.
Gerade das starke Abstellen auf den ehebedingten Nachteil kann durchaus dazu führen, dass eine "alte" Ehefrau, die keinen qualifizierten Beruf erlernt und sich über Jahre hinweg der Kindererziehung und der Familie gewidmet hat, ohne einen solchen "rettenden" Nachteil dasteht. Die neuere Rechtsprechung des BGH scheint durch die nachhaltige Betonung des Vertrauensschutzes allerdings nun einen Schutzschirm auszubreiten, der von den Instanzgerichten hoffentlich konsequent übernommen wird.
Doch auch bei der Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs kommt der Vertrauensschutz oft zu kurz. Einigkeit besteht bei der Herabsetzung auf den angemessenen Bedarf dahingehend, dass Maßstab zunächst das Einkommen ist, das der Unterhaltsberechtigte ohne Ehe und Kindererziehung zur Verfügung hätte. Beim Krankheitsunterhalt stellt der BGH für den angemessenen Lebensbedarf bei vollständiger Erwerbsunfähigkeit demnach auf die Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente ab. Dies wird – ohne weitere Billigkeitskorrektur – in vielen Fällen dazu führen, dass es bei dem vom BGH derzeit mit 770 EUR angesetzten Existenzminimum sein Bewenden hat, zumal der BGH ausdrücklich betont, dass dem nicht entgegenstehe, dass der eheangemessene Selbstbehalt mit 1.000 EUR (DT 2011: 1.050 EUR) höher sei, weil der Bedarf des Berechtigten mit dem Selbstbehalt des Verpflichteten nicht gleichgesetzt werden dürfe. In der juristischen Herleitung mag dies durchaus konsequent sein, berücksichtigt aber nicht, dass die Inhaber dieser Ansprüche nach alter Rechtslage mit einem unbegrenzten Unterhalt hatten rechnen können.
Ehefrauen, die ihre Ehe unter ganz anderen Vorzeichen eingegangen sind und als "Hausfrauenehe" gelebt haben, sinken jetzt unterhaltsrechtlich – auch bei guten Einkommensverhältnissen – sehr schnell auf das Niveau einer Sozialhilfeempfängerin ab, verschafft man dem Vertrauen nicht auch hier eine größere Bedeutung.
Natürlich können bei Altehen durch die Einbeziehung des Vertrauens in die Billigkeitserwägung grundsätzlich sowohl bei der Befristung als auch bei der Bemessung des angemessenen Lebensbedarfs adäquate Ergebnisse erzielt werden. Der starke Focus des Gesetzes auf die ehebedingten Nachteile und das erzielbare Eigeneinkommen gibt aber zum Teil eine andere Richtung vor. Daher ist die Rechtsprechung – nicht überraschend – auch hier uneinheitlich. Ihr kann jedoch bei so vagen Vorgaben durch den Gesetzgeber kein Vorwurf gemacht werden. Bei derart schwerwiegenden, die Existenz berührenden Dispositionen wäre ein besonderer gesetzlicher Vertrauensschutz notwendig gewesen. Diese Regelung hat der Gesetzgeber schlicht versäumt. Es muss also nachjustiert werden, um eine Schieflage im Spannungsverhältnis von Eigenverantwortung und Vertrauen zu beheben – eine Aufgabe, die allerdings wohl die Rechtsprechung lösen muss, da für eine differenzierende Feinbalancierung durch den Gesetzgeber der Reformdruck heute bedauerlicherweise fehlt.
Das ändert freilich nichts an der Kritik, dass das Übergangsrecht des § 36 Nr. 1 EGZPO zu vage ist. Je schwerer und belastender die individuellen Auswirkungen eines Gesetzes sind, desto genauer müssen die Voraussetzungen vom Gesetzgeber normiert sein. Diesen Voraussetzungen genügt die Norm wohl kaum, zumal es weniger um das Vertrauen in die nach der alten Rechtslage ergangene rechtliche Regelung selbst, sondern um das Vertrauen in die einvernehmliche eheliche Aufgabengestaltung während der noch...