Die Reform ist des Weiteren vor allem aus strukturellen Gründen keinesfalls am Ziel: Zwar wurden – das ist der positive Aspekt – die gesellschaftspolitischen Fragen immerhin aufgegriffen. Die sozialen "Rahmenbedingungen" sind aber nicht auf das reformierte Unterhaltsrecht abgestimmt. Dadurch wird die reibungslose Umsetzung der Reform verhindert. Die Neuregelungen müssen deshalb zwingend durch weitere Maßnahmen – außerhalb des Unterhaltsrechts – ergänzt werden, sonst besteht die Gefahr, dass die Reform angesichts der tatsächlichen Verhältnisse vor allem auf dem Arbeitsmarkt ihre gutgemeinte (Signal-)Wirkung verfehlt und gerade für Frauen zum Fiasko wird.
Ist für eine Verlängerung des Unterhalts insbesondere die Gestaltung der Erwerbstätigkeit in der Ehe maßgebend, so kommt der gesellschaftlichen Realität besondere Bedeutung zu, denn ein Argument im Rahmen der Unterhaltsrechtsreform war gerade die Zunahme der Erwerbstätigkeit der Frauen. Zutreffend ist insoweit, dass Frauen in weit größerem Umfang als früher erwerbstätig sind und Mütter ihre Berufstätigkeit mehr und mehr nur noch temporär unterbrechen, vor allem, wenn die Kinder noch sehr klein sind. Gleichwohl befinden sich Frauen in der Regel nach wie vor in der ökonomisch deutlich schwächeren Position, denn die Zunahme der Frauenerwerbsquote ist in ganz erheblichem Umfang auf einen Anstieg von Teilzeitarbeit zurückzuführen. Vollzeit berufstätige Mütter mit kleinen Kindern bleiben in der Minderheit. Gerade in der Phase der Kinderbetreuung herrscht nach wie vor weit überwiegend die Allein- oder Zuverdienerehe vor, in der die Frauen auch heute die Familienarbeit leisten. Mit dem Lohn aus einem Teilzeitarbeitsverhältnis kann das eigene Leben aber kaum bestritten werden. Der Schutz des schwächeren Partners bleibt trotz der Zunahme der Erwerbstätigkeit von Frauen ein unterhaltsrechtliches Problem. Die Annahme des Reformgesetzgebers zum UÄndG 2007, dass sich mehr Ehepartner als bisher nach der Scheidung selbst unterhalten, bleibt daher rechtstatsächlich höchst problematisch.
Diese wenigen Hinweise mögen genügen, um deutlich zu machen, dass die Gestaltung des Unterhaltsrechts und damit mittelbar auch der Rechtswirkungen des partnerschaftlichen Zusammenlebens im Sinne eines rechtsethisch legitimierten Solidaritätsbegriffs ohne enge Abstimmung des Familienrechts mit weiteren Rechtsbereichen, etwa mit dem Sozial-, Arbeits- und Steuerrecht, nicht zu leisten ist. Daher sind zwingend flankierend die hierfür erforderlichen politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Voraussetzungen zu schaffen. Das ist dringender denn je. Anderenfalls würde die rechtsethisch geforderte Ausgestaltung des Unterhaltsrechts in der Praxis nur eine einseitige Benachteiligung der Frauen bewirken, die zumindest bislang in der Regel zu den Unterhaltsbetroffenen gehörten.