1. Das Konzept des Gesetzgebers zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts differenziert zwischen der Unterhaltsbedürftigkeit des Berechtigten, dessen Unterhaltsbedarf, der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen sowie der Rangfolge mehrerer Unterhaltsberechtigter. Den Ausgangspunkt der Unterhaltsberechnung bildet die Bestimmung des Unterhaltsbedarfs, an dessen Ermittlung sich die Prüfung der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen sowie der Verteilung der verfügbaren Geldmittel im Mangelfall anschließt. An dieser Strukturierung hat der Gesetzgeber anlässlich der Unterhaltsreform festgehalten. Dies gilt ebenso für die Ausrichtung des Unterhaltsmaßes an den ehelichen Lebensverhältnissen gem. § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB, mit der der Gesetzgeber auf die individuellen Einkommensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten Bezug genommen hat, die er nach wie vor zum Zeitpunkt der Scheidung bestimmt wissen will.
Über dieses beibehaltene Konzept setzt sich die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinweg, indem sie einen Systemwechsel vornimmt, bei dem sie die gesetzgeberische Grundentscheidung zur Bestimmung des Unterhaltsbedarfs durch eigene Gerechtigkeitsvorstellungen ersetzt. Die geänderte Auslegung hebt die gesetzliche Differenzierung zwischen Unterhaltsbedarf und Leistungsfähigkeit auf. Sie berücksichtigt die nachehelich entstandenen Unterhaltspflichten gegenüber einem weiteren Ehegatten bereits auf der Ebene des Bedarfs des geschiedenen Ehegatten (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB), obwohl deren Berücksichtigung gesetzlich erst auf der Ebene der nach den gegenwärtigen Verhältnissen des Unterhaltspflichtigen zu beurteilenden Leistungsfähigkeit nach § 1581 BGB vorgesehen ist. Statt die Bestimmung des Unterhaltsbedarfs nach den "ehelichen Lebensverhältnissen" der aufgelösten Ehe vorzunehmen, ersetzt sie diesen Maßstab durch den der "wandelbaren ehelichen Lebensverhältnisse" und bestimmt damit und unter Anwendung der Dreiteilungsmethode den Unterhaltsbedarf letztlich nach den tatsächlichen Lebensverhältnissen und finanziellen Ausstattungen wie Belastungen der Geschiedenen zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Unterhalts unter Einbeziehung auch des Einkommens, das der neue Ehegatte des Unterhaltspflichtigen erzielt oder das ihm fiktiv zugerechnet wird. Dieser neue Maßstab spiegelt die ehelichen Lebensverhältnisse nicht mehr wider und löst sich in Gänze von der gesetzlichen Vorgabe.
Zudem bezieht die neue Rechtsprechung den Unterhaltsbedarf des nachfolgenden Ehegatten nur so lange in die Bestimmung des Unterhaltsbedarfs des geschiedenen Ehegatten mit ein, wie dies zu einer Verkürzung des Bedarfs des geschiedenen Ehegatten führt. Wirkt sich die Dreiteilungsmethode zugunsten des geschiedenen Ehegatten aus, wird sein Unterhaltsbedarf mittels der vom Bundesgerichtshof vorgesehenen Kontrollrechnung auf den sich nach seinen ehelichen Lebensverhältnissen ergebenden Betrag herabbemessen. Konsequenz dieser Rechtsprechung ist, dass der geschiedene Ehegatte infolge der neuen Bedarfsermittlungsmethode regelmäßig weniger, selten dasselbe, nie aber mehr erhält als im Wege einer nach den ehelichen Lebensverhältnissen bestimmten Berechnung.
Die neue Rechtsprechung lässt sich mit keiner der anerkannten Auslegungsmethoden rechtfertigen. Sie läuft dem klaren Wortlaut des § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB zuwider, der die "ehelichen Verhältnisse" zum Maßstab der Bedarfsbemessung erhoben hat und damit diejenigen Verhältnisse, die in der geschiedenen Ehe bestanden haben oder zumindest mit ihr in Zusammenhang stehen. Ein Bezug zu den "ehelichen Lebensverhältnissen" lässt sich jedoch nicht mehr bei der Einbeziehung von Veränderungen herstellen, die gerade nicht auf die Ehe zurückzuführen sind, sondern – wie Unterhaltspflichten gegenüber einem neuen Ehegatten – scheidungsbedingt sind.
Die neue Auslegung des § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB lässt sich auch nicht aus dessen systematischer Einbindung in den Normenkontext herleiten, da sie die vom Gesetzgeber vorgesehene Differenzierung zwischen Unterhaltsbedarf und Leistungsfähigkeit aufhebt. Zudem widerspricht sie dem Zweck des § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB, der dazu dient, dem unterhaltsberechtigten Ehegatten bei der Bestimmung seines Bedarfs grundsätzlich gleiche Teilhabe an dem zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung gemeinsam erreichten Status zu gewähren. Die mit der Kontrollrechnung verbundene richterliche Dreiteilungsmethode belastet den vorangegangenen Ehegatten einseitig zugunsten des Unterhaltspflichtigen und dessen nachfolgenden Ehegatten. Sie setzt sich überdies über den Willen des Gesetzgebers hinweg. Soweit dieser Einschränkungen beim nachehelichen Unterhalt vorgenommen hat, wie bei der Kürzung oder Befristung von Unterhaltsansprüchen nach § 1578b BGB, hat er damit die unterhaltsrechtliche Position des geschiedenen Ehegatten nicht von vornherein verschlechtern wollen, wie dies die Bedarfsbestimmung nach der Dreiteilung vorsieht, sondern nur unter bestimmten Billigkeitsgesichtspunkten.
Die geänderte Rechtsprechung lässt ...