Ähnlich wie der Sozialhilfeträger nicht am Nachlass partizipieren soll, so sollen auch die Gläubiger der potenziellen Erben nicht den Nachlass aufzehren können. Aus diesem Grund hatte der Erblasser in einem vom BGH am 2.12.2010 zu entscheidenden Fall seine Tochter zugunsten ihres Bruders enterbt. Nachdem über deren Vermögen ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet worden war, verstarb ihr Vater. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens mangels Masse und nach Ankündigung von Restschuldbefreiung erhob die Schuldnerin Klage wegen ihres Pflichtteilsanspruchs gegen ihren Bruder. Dieser wurde nach Beendigung der Laufzeit der Abtretungserklärung rechtskräftig zur Zahlung verurteilt. Das Insolvenzgericht ordnete sodann Nachtragsverteilung gemäß § 203 InsO an. Zu Recht urteilte der BGH.
Ist der Pflichtteilsanspruch erst nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens entstanden, so zählt er zum Neuerwerb. Während der Wohlverhaltensphase und während der Laufzeit der Abtretungserklärung gilt dann der Halbteilungsgrundsatz des § 295 InsO, wenn der Schuldner den Pflichtteil geltend macht. Verzichtet der Schuldner auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs während der Wohlverhaltensperiode, so stellt dies keine Obliegenheitsverletzung dar, da es sich um dessen höchstpersönliche Entscheidung handelt.
Wenn aber – wie hier – der Erbfall während des Laufs des Insolvenzverfahrens eingetreten ist, so entsteht der Pflichtteilsanspruch gemäß § 2317 BGB zu diesem Zeitpunkt und mithin während des Laufs des Insolvenzverfahrens und gehört seit diesem Zeitpunkt zum Vermögen der Schuldnerin und damit zur Insolvenzmasse, da alles pfändbare Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt, vom Insolvenzverfahren erfasst wird und zur Insolvenzmasse gehört (§§ 35, 36 Abs. 1 InsO). Dem steht auch nicht § 852 ZPO entgegen, wonach ein Pflichtteilsanspruch nur pfändbar ist, wenn er durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden ist; denn der Pflichtteilsanspruch kann bereits vor der vertraglichen Anerkennung oder Rechtshängigkeit als ein in seiner zwangsweisen Verwertbarkeit aufschiebend bedingter Anspruch gepfändet werden. Dass nicht der Verwalter, sondern nur der pflichtteilsberechtigte Schuldner über die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs zu entscheiden hat, da es sich – wie während des Laufs des Verfahrens, vgl. § 83 Abs. 1 InsO – um eine persönliche Entscheidung des Schuldners handelt, ändert nichts an der Zugehörigkeit zur Masse. Allerdings ist der Anspruch erst dann verwertbar, wenn der Schuldner sich zur Geltendmachung entscheidet, weshalb es sich um einen nachträglich ermittelten Anspruch i.S.d. § 203 InsO handelt.