Nach dem Altersphasenmodell ("08/15") erfolgt in der Regel keine individuelle Prüfung des Kindeswohls, für die Frage nach dem Umfang der geschuldeten Erwerbstätigkeit wird allein an das Alter des Kindes angeknüpft und daraus abstufend mit dem zunehmenden Alter des Kindes ein geringerer Betreuungsbedarf abgeleitet. Bis zum achten Lebensjahr soll sich der Betreuende dem Kind widmen und ist daher nicht verpflichtet, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. In der Zeit zwischen dem achten und dem fünfzehnten Lebensjahr könne allenfalls eine Teilzeittätigkeit bis zur Grenze der Halbtagstätigkeit gefordert werden, die dann ab dem fünfzehnten Lebensjahr in eine vollschichtige Tätigkeit münden soll.
Die ständige Rechtsprechung des BGH lässt dem Altersphasenmodell keine Chance: Ein Altersphasenmodell, welches bei der Frage der Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen allein auf das Alter des Kindes abstellt, werde den Anforderungen des Betreuungstatbestandes nach § 1570 Abs. 1 BGB nicht gerecht. Auf das Alter des Kindes allein komme es nur an, soweit eine anderweitige Betreuung nicht zur Verfügung steht und die Berufstätigkeit des betreuenden Elternteils davon abhängt, dass das Kind auch ohne Aufsicht bleiben kann. Auch einem modifizierten Altersphasenmodell, das die Altersphasen des zu betreuenden Kindes als Regelfall behandelt, sich aber für individuelle Gesichtspunkte öffnet, erteilt der BGH eine klare Absage. An die Stelle einer irgendwie gearteten schematischen Betrachtung entsprechend dem Alter des zu betreuenden Kindes tritt eine stringente Einzelfallbetrachtung, bei welcher eine Reihe von Kriterien im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung abzuwägen ist. Das – so der BGH – stehe mit dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers in Einklang. Der Entwicklungsstand des gemeinsamen Kindes sei danach zwar ein Kriterium für seinen Bedarf nach zusätzlicher Betreuung durch einen Elternteil; würde man dagegen nur auf das Alter abstellen, würden die weiteren Belange des Kindes, auf die es nach der gesetzlichen Neuregelung ankomme, nicht berücksichtigt werden.
Es ist aber zweifelhaft, ob es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, das Alterphasenmodell durch eine ausschließliche Einzelfallbetrachtung zu ersetzen. Der Gesetzgeber betont zwar den Grundsatz der Eigenverantwortung und fasst mit dem Unterhaltsabänderungsgesetz die Grundvorschrift § 1569 BGB programmatisch schärfer. Zum Altersphasenmodell allerdings heißt es in der Gesetzesbegründung wie folgt:
Zitat
"Bei der Auslegung von § 1570 BGB, des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt, wird dies etwa dazu führen, dass das bisherige, von der Rechtsprechung entwickelte "Altersphasenmodell", ab welchem Alter des Kindes dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit zumutbar ist (Palandt/Brudermüller, BGB (65. Auflage 2006), § 1570, Rn 9 ff.), neu zu überdenken und zu korrigieren ist" [Hervorhebung durch den Verf.]. Künftig wird verstärkt darauf abgestellt werden müssen, inwieweit aufgrund des konkreten Einzelfalls und der Betreuungssituation vor Ort von dem betreuenden Elternteil eine (Teil-)Erwerbstätigkeit neben der Kinderbetreuung erwartet werden kann …“
Das vorgenannte Zitat entstammt zugegebenermaßen der Begründung des ersten Entwurfs. Im Anschluss daran hat die Entscheidung des BVerfG die gesetzgeberischen Aktivitäten gebremst, die schließlich zum zweiten Entwurf geführt hat. Diese aber setzt die ursprüngliche Begründung aus der Drucksache 16/1830 nicht außer Kraft, im Gegenteil, es heißt dort: Soweit der Ausschuss den Gesetzentwurf unverändert angenommen habe, werde auf die jeweilige Begründung dieser Drucksache verwiesen. Auch der Begründungstext selbst nimmt auf die frühere Bundestagsdrucksache Bezug, ausdrücklich aufgehoben oder revidiert wird die Begründung zum ersten Entwurf nicht. Das Gesetz ist aus der Sicht beider Begründungen zu lesen, wobei dem BGH zu konzedieren ist, dass im Schlussentwurf von "Überdenken" und "Korrigieren" des Altersphasenmodells nicht ausdrücklich mehr die Rede ist. An verschiedenen Stellen wird dort der zu betrachtende Einzelfall in den Vordergrund gestellt – ein Gesichtspunkt, der allerdings auch schon im Erstentwurf in dem Sinne aufgegriffen wurde, dass der Gesetzgeber verstärkt darauf abstellen wollte, "inwieweit aufgrund des konkreten Einzelfalls und der Betreuungssituation vor Ort von dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann“. Eine ersatzlose Streichung des Altersphasenmodells zugunsten einer reinen Einzelfallbetrachtung lässt sich so der Gesetzesbegründung nicht entnehmen, eher eine Kombination von beidem: Modifizierung des Altersphasenmodells unter stärkerer Berücksichtigung des Einzelfalls, Letzteres vor dem Hindergrund, dass das Altersphasenmodell in seiner bisherigen Form wachsender Kritik ausgesetzt war und vereinzelt die Korrektur der Altersgrenzen angemahnt wurde – ein Gedanke, auf den der Gesetzgeber ganz konkret in der Erstbeg...