Im Fall des OLG Hamm hatte die Mutter als Flugbegleiterin in "Monatsteilzeit" gearbeitet, also einen Monat vollschichtig, einen Monat überhaupt nicht. Das Angebot des barunterhaltspflichtigen Vaters, die Kinderbetreuung während der beruflichen Ortsabwesenheit der Mutter zu übernehmen, hat das Gericht nicht als dem Kindeswohl entsprechende Betreuungsalternative gelten lassen. Es sah erheblich entgegenstehende Kindesbelange, weil dies zu einer "Dreiteilung" geführt hätte, in welcher die Kinder Monat für Monat bis zu fünf Mal zwischen den verschiedenen Haushalten der Eltern und Großeltern wechseln müssten. Dies tangiere das Wohl der Kinder, die damit einen für ihre Entwicklung und ihr Wohlbefinden unbedingt notwendigen Lebensmittelpunkt verlieren würden. Der Entscheidung kann man nur uneingeschränkt zustimmen. Sie ist an den Belangen des Kindes ausgerichtet und sie steht durchaus auf dem Boden der Rechtsprechung des BGH, der auch in diesem Zusammenhang dem Kindeswohl höchste Priorität einräumt. Im Ergebnis also brauchte sich die Mutter nicht auf das Betreuungsangebot des Vaters einlassen.
Ein weiterer Fall des OLG Hamm betrifft zwar den Kindesunterhalt, kann jedoch auf unser Problem des Betreuungsunterhalts konvertiert werden. Die Parteien waren zu einem einvernehmlichen Handeln, wie es bei der Kinderbetreuung durch beide Eltern nach deren Trennung erforderlich ist, nicht in der Lage. Sie hatten, wie der Senat andeutet, die mündliche Verhandlung vor dem Senat zum Anlass genommen, ihre Unfähigkeit zum Konsens sozusagen ad oculos zu demonstrieren. Es nimmt daher nicht wunder, dass auch in diesem Fall das Gericht das Betreuungsangebot des unterhaltspflichtigen Vaters als nicht zumutbar angesehen hat. Beim fehlenden Elternkonsens kann natürlich die vom Vater angebotene Betreuungsalternative nicht funktionieren. Aus anwaltlicher Sicht bleibt zu ergänzen, dass dies auch konkret anhand von Tatsachen vorgetragen werden muss.
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf betrifft einen frühzeitig geborenen Sohn, der an einer Immunschwäche leidet, welche immer wieder zu Atemwegsinfektionen geführt hatte. Die nachgewiesene Anfälligkeit für Erkrankungen der oberen Atemwege verursachte einen erhöhten Betreuungsbedarf; das Kind konnte wegen der Ansteckungsgefahr den Kindergarten nicht regelmäßig besuchen und musste daher zu Hause versorgt werden. Hinzu kam, dass Umgangskontakte bisher nur im geringen Umfang stattgefunden und sich die Parteien erst seit kürzerer Zeit darauf verständigt hatten, "normale Umgangskontakte" mit zwei Übernachtungen am Wochenende durchzuführen. Auch hier ist das Votum des Gerichts eindeutig: Anhand der Belange des Kindes wird ein erhöhter Betreuungsbedarf festgestellt und die Mutter brauchte sich auf das Betreuungsangebot des Vaters nicht einzulassen.
Auf den Punkt bringt der XII. Senat des BGH das Problem im Zusammenhang mit einem zeitlich weitgehend ungebundenen, im vorzeitigen Ruhestand befindlichen Vater, der ebenfalls ein Betreuungsangebot unterbreitet hatte. Die Entscheidung ist deswegen von hohem Interesse, weil es hier auch um die Frage gegangen ist, inwieweit eine bestehende Umgangsregelung mit einem konkreten, ernstlich und verlässlich unterbreiteten Betreuungsangebot kollidiert. Die erste Frage, ob der betreuende Elternteil überhaupt auf ein solches Betreuungsangebot eingehen muss, hat der BGH im positiven Sinne entschieden, wie ich meine zutreffend, denn der Wortlaut des Gesetzes lässt diese Möglichkeit zu und man kann davon ausgehen, dass dem Gesetzgeber dieses Problem bekannt war. Der BGH räumt unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls der abschließenden Umgangsregelung grundsätzliche Priorität ein. Diese ist vorgreiflich, nicht das Betreuungsangebot. Zwar begründet der BGH diese Frage nicht ausführlich, sie ist aber durchaus überzeugend, weil im Rahmen der Entscheidung über das Umgangsrecht des Vaters alle Gesichtspunkte des Kindeswohls bereits geprüft worden sind und eine erneute Prüfung des Kindeswohls im Rahmen der Billigkeitsentscheidung zu § 1570 Abs. 1 S. 2 BGB keine anderen Erkenntnisse bringen kann.
Ein Satz des BGH in diesem Zusammenhang lässt aber aufhorchen:
Zitat
"Hinzu kommt, dass hier schon eine Umgestaltung des Umgangsrechts ohne zeitliche Ausweitung zu einer ausreichenden Betreuung des gemeinsamen Kindes während einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit der Antragstellerin führen könnte …"
Hier verläuft die Nahtstelle, an welcher die Kollision zwischen Umgangsregelung und Betreuungsangebot zugunsten des Letzteren ausgeht. Eine einmal getroffene Umgangsregelung muss weichen, wenn ein Betreuungsangebot des Vaters zu einer Ausdehnung der Erwerbstätigkeit beitragen kann – allerdings "ohne zeitliche Ausdehnung". Damit ist gemeint, dass der Unterhaltsverpflichtete via Betreuungsangebot die Umgangskontakte nicht zeitlich ausdehnen kann. Der Zugewinn an Umgangszeit durch die Realisierung des Betreuungsangebots entspricht einer Verringerung des Umgangskontaktes. Per Saldo also soll...