Die Unterhaltsrechtsreform hat diese vom BVerfG vorgenommene strikte Unterscheidung, hier Kindeswohl dort nacheheliche Solidarität, aufgenommen. Betreuungsunterhalt ist künftig Anspruch auf einen zeitlich beschränkten "Basisunterhalt", der über eine Dauer von mindestens drei Jahren nach der Geburt des Kindes gewährt wird und der verlängert werden kann, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen. In den ersten drei Jahren des Kindes, in denen der geschiedene ebenso wie der nicht verheiratete betreuende Elternteil im Falle der Bedürftigkeit stets einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt hat, kann der betreuende Elternteil also frei über eine Individual- oder Kollektiv- bzw. Fremdbetreuung entscheiden. Die Dreijahresfrist – so der Gesetzgeber – sei im Regelfall mit dem Kindeswohl vereinbar.
Dem Gedanken der nachehelichen Solidarität widmet der Gesetzgeber eine "ehespezifische Ausprägung", indem nach § 1570 Abs. 2 BGB eine Art Annexanspruch zu § 1570 Abs. 1 BGB formuliert wird, bei welchem der Gesetzgeber explizit auf die durch Art. 6 GG vorgegebene Möglichkeit der Privilegierung für Ehegatten verweist, die das BVerfG auch tatsächlich zugelassen hat. Mit anderen Worten: Der Gesetzgeber folgt der Differenzierung Betreuungsunterhalt zum Zwecke des Kindeswohls und Annexanspruch aus Gründen der nachehelichen Solidarität. Die unterschiedlichen Begründungsansätze sind jetzt eindeutig zugeordnet: Der Betreuungsunterhalt als Basis- und Verlängerungsunterhalt rechtfertigt sich aus dem Kindeswohl und ist in § 1570 Abs. 1 BGB geregelt, der Annexanspruch findet seine Rechtfertigung allein in der Ehe und ergibt sich aus § 1570 Abs. 2 BGB. Es stellen sich die folgenden Fragen: Wollte der Gesetzgeber für alle Fälle das schematische Altersphasenmodell abschaffen? Und die sich daran anschließende Frage ist: Bringt die stringente Einzelfallbeurteilung der Rechtsprechung des BGH und der Obergerichte gegenüber dem bisherigen Altersphasenmodell einen deutlichen Gewinn?
1. Das Altersphasenmodell
Nach dem Altersphasenmodell ("08/15") erfolgt in der Regel keine individuelle Prüfung des Kindeswohls, für die Frage nach dem Umfang der geschuldeten Erwerbstätigkeit wird allein an das Alter des Kindes angeknüpft und daraus abstufend mit dem zunehmenden Alter des Kindes ein geringerer Betreuungsbedarf abgeleitet. Bis zum achten Lebensjahr soll sich der Betreuende dem Kind widmen und ist daher nicht verpflichtet, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. In der Zeit zwischen dem achten und dem fünfzehnten Lebensjahr könne allenfalls eine Teilzeittätigkeit bis zur Grenze der Halbtagstätigkeit gefordert werden, die dann ab dem fünfzehnten Lebensjahr in eine vollschichtige Tätigkeit münden soll.
Die ständige Rechtsprechung des BGH lässt dem Altersphasenmodell keine Chance: Ein Altersphasenmodell, welches bei der Frage der Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen allein auf das Alter des Kindes abstellt, werde den Anforderungen des Betreuungstatbestandes nach § 1570 Abs. 1 BGB nicht gerecht. Auf das Alter des Kindes allein komme es nur an, soweit eine anderweitige Betreuung nicht zur Verfügung steht und die Berufstätigkeit des betreuenden Elternteils davon abhängt, dass das Kind auch ohne Aufsicht bleiben kann. Auch einem modifizierten Altersphasenmodell, das die Altersphasen des zu betreuenden Kindes als Regelfall behandelt, sich aber für individuelle Gesichtspunkte öffnet, erteilt der BGH eine klare Absage. An die Stelle einer irgendwie gearteten schematischen Betrachtung entsprechend dem Alter des zu betreuenden Kindes tritt eine stringente Einzelfallbetrachtung, bei welcher eine Reihe von Kriterien im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung abzuwägen ist. Das – so der BGH – stehe mit dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers in Einklang. Der Entwicklungsstand des gemeinsamen Kindes sei danach zwar ein Kriterium für seinen Bedarf nach zusätzlicher Betreuung durch einen Elternteil; würde man dagegen nur auf das Alter abstellen, würden die weiteren Belange des Kindes, auf die es nach der gesetzlichen Neuregelung ankomme, nicht berücksichtigt werden.
Es ist aber zweifelhaft, ob es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, das Alterphasenmodell durch eine ausschließliche Einzelfallbetrachtung zu ersetzen. Der Gesetzgeber betont zwar den Grundsatz der Eigenverantwortung und fasst mit dem Unterhaltsabänderungsgesetz die Grundvorschrift § 1569 BGB programmatisch schärfer. Zum Altersphasenmodell allerdings heißt es in der Gesetzesbegründung wie folgt:
Zitat
"Bei der Auslegung von § 1570 BGB, des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt, wird dies etwa dazu führen, dass das bisherige, von der ...