1. Das BVerfG hat bereits in seiner Entscheidung vom 14.7.1981 den Betreuungsunterhalt als Äquivalent für das Betreuungsdefizit gesehen, welchem das Kind infolge von Trennung und Scheidung ausgesetzt ist. Es hat in der Entscheidung 1997 den Betreuungsunterhaltsanspruch von seiner Rechtfertigung her allein aus dem Interesse des Kindes interpretiert und ihn von Restbeständen der ehelichen Solidarität befreit: Betreuungsunterhalt zwar an den anderen Elternteil, aber für das Kind geleistet, nicht aus Gründen der ehelichen Solidarität. Auf dieser Linie liegt auch der Basisunterhalt nach § 1570 Abs. 1 S. 1 BGB; er sichert dem Kind für einen festen zeitlichen Rahmen ein Erziehungskontinuum durch die betreuende Person und sichert diese unterhaltsrechtlich ab, Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit immer vorausgesetzt. Dieses Betreuungskontinuum kommt den ehelichen wie den nichtehelichen Kindern gleichermaßen zu. Die Ehe rechtfertigt aus der Sicht des Kindes gesehen keine längere Betreuungszeit. Für diese Fälle ist ein eigener Annexanspruch nach § 1570 Abs. 2 BGB geschaffen worden, dessen Legitimationsgrundlage mit derjenigen des Betreuungsunterhalts nicht identisch ist. Einen gewissen Eingriff kann man in der Verkürzung der Betreuungszeit vom Altersphasenmodell auf den Basisunterhalt, also von acht auf drei Jahren sehen. Angesichts der gesellschaftlichen Wirklichkeit wirkt sich dies aber kaum aus; die meisten betreuenden Mütter sind in der Zeit ab dem 3. Lebensjahr bis zum 8. Lebensjahr teilzeitbeschäftigt. Das Kontinuitätsprinzip steht also insoweit nicht vor dem Aus.
2. Störend wirkt sich für die Betreuungskontinuität die Unsicherheit zu Lasten des betreuenden Elternteils aus, wenn es darum geht, einen Verlängerungsanspruch nach § 1570 Abs. 1 S. 2 BGB geltend zu machen. Unsicher ist die Dauer des Anspruchs, hoch sind die Anforderungen an den Vortrag, groß ist das Risiko, einen solchen Anspruch durchzusetzen! Risiko und Beratungsunsicherheit ermutigen den betreuenden Elternteil nicht gerade, solche Ansprüche geltend zu machen. Die Rechtsprechung des XII. Senats geht hier von einer eindeutigen Entscheidung des Gesetzgebers aus, das Altersphasenmodell abzuschaffen und stellt hohe Anforderungen an den Sachvortrag für einen Verlängerungsanspruch. Gesetzgebung und die Interpretation durch die Rechtsprechung sind dem Anspruch geschuldet, dem Einzelfall durch Berücksichtigung konkreter Umstände gerecht zu werden. Ob die Abkehr vom Schematismus des Altersphasenmodells hin zur Betrachtung des konkreten Einzelfalls aber tatsächlich gerechtere Ergebnisse bringt, darf bezweifelt werden, zumal bislang die Erklärung schuldig geblieben ist, dass ein modifiziertes Altersphasenmodell ungerechtere Ergebnisse hervorbringen würde als die Einzelbeurteilung.
3. Eine weitere Gefahr droht dem Kontinuitätsprinzip durch das von der Rechtsprechung zugelassene Betreuungsangebot des anderen Elternteils. Zwar hat die Rechtsprechung bisher zurückhaltend auf solche Angebote reagiert, es bleibt aber die Rechtsprechung des XII. Senats, wonach sich der betreuende Elternteil auf die Änderung einer Umgangsregelung einlassen müsste. Auch in diesem Zusammenhang wird dem betreuenden Elternteil ein höherer Aufwand zugemutet: Er muss überzeugende Gründe vortragen, warum er auf dieses Angebot nicht eingeht und muss sich, falls er scheitert, täglich mit der Betreuungsoffensive des anderen Teils auseinandersetzen. Dem Wortlaut und Sinn der Regelung nach § 1570 Abs. 1 S. 3 BGB läuft das Betreuungsangebot des barunterhaltspflichtigen Elternteils zwar nicht zuwider, zur Vermeidung unnötiger Friktionen hätte es hier einer klaren Stellungnahme des Gesetzgebers bedurft. Und der hätte sich eindeutiger im Sinne des betreuenden Elternteils positionieren müssen!
Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
ich bin Advokat, kein Wissenschaftler. Mein Blick ist der aus der Flunderperspektive meines Schreibtisches, an dem einmal Unterhaltsberechtigte, ein anderes Mal Unterhaltsverpflichtete sitzen. Wer wie Sie und ich Teile des beruflichen Alltags im Maschinenraum des Unterhaltsrechts verbringt, wird für Geräusche sensibel. Wir Anwältinnen und Anwälte hören den Lagerschaden der Unterhaltsreform! Hören wir endlich auf mit dem Billigkeitswahn und kehren zu einem Recht zurück, welches wir in der Praxis beraten und handhaben können und welches diesen Namen auch verdient!