BGB § 249, EStG § 22 Nr. 2 § 23 Abs. 1 Nr. 1
Leitsatz
Ein Rechtsanwalt haftet für vermeidbare steuerlich nachteilige Auswirkungen einer von ihm empfohlenen Vertragsgestaltung grundsätzlich auch dann, wenn eine Beratung in steuerrechtlicher Hinsicht nicht ausdrücklich Inhalt des ihm erteilten Mandats gewesen ist.
OLG Rostock, Urt. v. 26.2.2019 – 24 U 1/17 (LG Schwerin)
Sachverhalt
Tatbestand: [1] Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen geltend gemachter anwaltlicher Pflichtverletzung in Anspruch. Dem liegt zugrunde, dass die Klägerin den Beklagten im Oktober 2011 im Hinblick auf die bevorstehende Scheidung gebeten hatte, eine Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung zu entwerfen. Der Beklagte besprach in der Folgezeit die Eckpunkte der Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung mit der Klägerin und dem Notar. Am 23.11.2011 kam es zum Abschluss der Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung zwischen der Klägerin und ihrem damaligen Ehemann (UR-Nr. … /2011 des Notars G. H. in S.). Mit der vorgenannten Vereinbarung wurde insbesondere eine Regelung zur Erledigung des Zugewinnausgleichs getroffen. Insoweit wurde vereinbart, dass die Ehefrau, der neben einem selbstgenutzten Einfamilienhaus zwei Mietshäuser gehörten (P. Weg und L. Straße in S.), eines dieser Mietshäuser, nämlich das Objekt P. Weg, überträgt und darüber hinaus dem Ehemann einen Geldbetrag zahlt. Nach Abschluss und Umsetzung der Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung setzte das Finanzamt S. gegen die Klägerin im Einkommensteuerbescheid vom 27.5.2013 für den Veranlagungszeitraum 2011 auf der Grundlage eines angenommenen Veräußerungsgewinns in Höhe von 95.976 EUR für die Veräußerung des vorgenannten Objekts P. Weg eine Steuer in Höhe von ca. 40.000 EUR fest. Gegen diesen Steuerbescheid legte die Klägerin Einspruch ein und beauftragte einen Sachverständigen mit der Überprüfung des vom Finanzamt auf der Grundlage des Notarvertrags festgesetzten Verkehrswerts des Grundstücks. Nachdem der Sachverständige den Verkehrswert des streitgegenständlichen Grundstücks abweichend von dem im Notarvertrag angenommenen Grundstückswert von 240.000 EUR mit lediglich 180.000 EUR ermittelt hatte, änderte das Finanzamt S. den Einkommensteuerbescheid unter dem 16.7.2014 dahingehend, dass von der Klägerin noch eine Steuer in Höhe von 19.006,50 EUR zu entrichten war.
[2] Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin den Beklagten auf Ersatz dieses Betrages sowie von ihr für die Einschaltung des Sachverständigen aufgewendeter Gutachterkosten in Höhe von 2.499,00 EUR und darüber hinaus auf Ersatz außergerichtlicher Kosten in Anspruch. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
[3] Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, dass schon nicht festgestellt werden könne, dass die Klägerin dem Beklagten ein umfassendes Mandat erteilt habe. Insbesondere könne entgegen der Auffassung der Klägerin nicht davon ausgegangen werden, dass sich das von ihr dem Beklagten erteilte Beratungsmandat auch auf die Beratung im Hinblick auf steuerrechtliche Fragen erstreckt habe. Der Beklagte habe der Klägerin auch nicht empfehlen müssen, wegen etwaiger steuerrechtlicher Folgen der Vereinbarung ihre Steuerberaterin aufzusuchen. Der Beklagte habe jedenfalls nicht wissen müssen, dass die im Rahmen des Zugewinnausgleichs erfolgende Übertragung eines Mietobjekts innerhalb der sich aus dem Einkommensteuergesetz ergebenden 10-Jahres-Frist hier eine Steuerpflicht auslösen würde. Dies gelte umso mehr, als nicht davon auszugehen sei, dass der Beklagte in die Prüfung der Frage einbezogen worden sei, welches Grundstück dem Ehemann übertragen werden sollte. Insbesondere spreche die Aussage des beurkundenden Notars dafür, dass dem damaligen Ehemann der Klägerin daran gelegen gewesen sei, gerade das streitgegenständliche Objekt P. Weg zu erhalten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
[4] Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin den erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch weiter. Sie ist der Auffassung, dass der Beklagte sich nicht auf fehlende Kenntnisse berufen könne, weil er nach der Rechtsprechung verpflichtet sei, Gesetzeskenntnis bis ins Detail auch in abgelegenen Rechtsgebieten zu haben. Auf der Grundlage der ihm vorliegenden Informationen hätte der Beklagte mithin erkennen können und müssen, dass die Klägerin durch die gewählte Gestaltung (Übertragung des Objekts P. Weg) in erhebliche finanzielle Bedrängnis geraten würde, die durch Übertragung des anderen Objekts (L. Straße) vermeidbar gewesen wäre. Der Beklagte habe sich insbesondere nicht darauf verlassen können, dass die Klägerin wegen etwaiger steuerlicher Auswirkungen anderweitig beraten werde, weil die Klägerin insoweit weder eine Steuerberaterin beauftragt habe noch entsprechendes gegenüber dem Beklagten geäußert habe.
[5] Die Klägerin be...