FamFG § 58 § 156 Abs. 2
Leitsatz
1. Eine Umgangsregelung nach § 156 Abs. 2 FamFG bedarf der anschließenden familiengerichtlichen Billigung durch Beschluss (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 1.2.2017 – XII ZB 601/15, BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532).
2. Gegen den Billigungsbeschluss ist die Beschwerde statthaft. Dabei ist auch ein Elternteil, der der Umgangsregelung zugestimmt hat, zur Beschwerde befugt.
BGH, Beschl. v. 10.7.2019 – XII ZB 507/18 (OLG Frankfurt, AG Alsfeld)
Sachverhalt
(Anm. d. Red.: Die Entscheidung ist abgedruckt in FF 2019, 404.)
2 Anmerkung
Der BGH geht in seinem Beschluss auf verschiedene Fragen zur Billigung eines Umgangsvergleichs gemäß § 156 Abs. 2 S. 2 FamFG ein.
1. Zunächst stellt der BGH überzeugend dar, dass auch der Beschluss über die Billigung mit der Beschwerde nach § 58 Abs. 1 FamFG anfechtbar ist. Dies entspricht der mittlerweile ganz überwiegend vertretenen Ansicht und war zu erwarten gewesen. Denn entsprechend seiner Entscheidung vom 1.2.2017 hat die Billigung in Beschlussform zu erfolgen, auch um das Umgangsverfahren ordnungsgemäß zu beenden. Dann ist es nur konsequent, gegen diese Endentscheidung die Beschwerde zuzulassen. Da die Gegenstimmen aus der Zeit vor dieser Entscheidung stammen und immer weniger vertreten werden, steht zu erwarten, dass sich die Entscheidung des BGH durchsetzen wird.
2. Auf der zweiten Ebene musste der BGH klären, wer durch den Billigungsbeschluss beschwert und damit beschwerdebefugt ist. Weil das Umgangsrechtsverfahren ein Amtsverfahren ist, stellt der BGH hierfür zutreffend nicht auf die formelle Beschwer, sondern allein auf die materielle Beschwer ab. Diese ist zu bejahen, wenn die gerichtliche Billigung dem Kindeswohl widerspricht und/oder sie verfahrensfehlerhaft ergangen ist. Die Eltern können dies jedenfalls mit der Beschwerde geltend machen, selbst wenn sie zuvor dem vereinbarten Umgang zugestimmt haben. Insoweit können sie nämlich ihre Zustimmung zum Vergleich – ähnlich wie bei § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB – bis zur Rechtskraft des Billigungsbeschlusses widerrufen. Aber auch der Verfahrensbeistand und das Jugendamt können Beschwerde einlegen. Dagegen steht einem nicht sorgeberechtigten Kindesvater gegen einen Beschluss, durch den das Gericht dem Umgang der Mutter mit dem Kind regelt, kein Beschwerderecht zu.
3. Ein derartiger Verfahrensfehler liegt nach Ansicht des BGH vor, wenn das Kind vor Erlass des Billigungsbeschlusses nicht angehört worden ist. Dieser Teil der Entscheidung hat für die instanzgerichtliche Praxis eine sehr große Bedeutung. Hierbei bestehen allerdings große Zweifel, wie einem Kind die Rechtsnatur eines Billigungsbeschlusses und die sich daraus ergebenden (vollstreckungsrechtlichen) Folgen so kindgerecht erklärt werden können, dass es sich hierzu eine hinreichende Meinung bilden kann.
Lädt das Gericht zum (frühen) Erörterungstermin gemäß § 155 Abs. 2 FamFG auch das betroffene Kind als Beteiligten gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG und hört dieses an, bietet sich an, die Anhörung zugleich auf den möglicherweise erforderlichen Billigungsbeschluss zu erstrecken. Gleiches gilt für die Situation, dass das Gericht das Kind getrennt vor dem Termin mit den Eltern oder danach anhört. Das Verfahren kann ohne vorherige Anhörung des Kindes für Kinder ab einem Alter von etwa drei Jahren nach § 159 Abs. 1, 2 FamFG nicht beendet werden, wie der BGH zutreffend feststellt. Lediglich wenn von der Anhörung des Kindes aus schwerwiegenden Gründen (§ 159 Abs. 3 S. 1 FamFG) abgesehen wird, wird man auch eine Anhörung hinsichtlich des Billigungsbeschlusses nicht verlangen können.
4. Solange der Billigungsbeschluss nicht formell rechtskräftig ist, ist das OLG als Beschwerdeinstanz nicht an den geschlossenen Vergleich gebunden, wenn der Beschluss rechtswidrig ist. Daher ist im Beschwerdeverfahren nicht § 1696 BGB, sondern § 1684 BGB als Maßstab anzuwenden. Dem ist zuzustimmen, da nach dem Wortlaut von § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG das Beschwerdegericht die Sache zurückverweisen "darf", aber nicht "muss". Dies gilt auch für den Fall, dass der Billigungsbeschluss nachträglich "rechtswidrig" wird, weil ihm ein Elternteil nach Erlass des Beschlusses die Zustimmung entzogen hat. Lediglich wenn sich die Kindeseltern während des Beschwerdeverfahrens auf eine Umgangsregelung einigen, muss das OLG eine Entscheidung nach § 156 Abs. 2 FamFG treffen.
5. Der Beschluss des BGH führt im Ergebnis nicht zu Unsicherheiten, jedoch zu höheren Anforderungen an die Tätigkeit in der familiengerichtlichen Praxis. Insbesondere sind keine vollstreckungsrechtlichen Nachteile zu erwarten, wenn der Billigungsbeschluss noch nicht rechtskräftig ist. Denn Beschlüsse sind – anders als bei § 704 ZPO – gemäß § 86 Abs. 2 FamFG mit Wirksamwerden vollstreckbar.
Dr. Stephan Ebeling, Richter am Amtsgericht Euskirchen
FF 3/2020, S. 113 - 114