1. Ausgangslage

Die Entscheidung des BGH vom 28.10.2020 befasst sich mit der seit langer Zeit streitigen Frage der unterhaltsrechtlichen Einordnung des Kinderzuschlags.

Weiteres Thema ist die Bemessung des Selbstbehalts des Kindesunterhaltspflichtigen hinsichtlich der Verteilung der Wohnkosten bei Zusammenleben mit weiteren Familienangehörigen.

2. Inhalt der Entscheidung

Das Land hat als Träger der Unterhaltsvorschusskasse Kindesunterhalt für den im November 2005 geborenen, aus erster Ehe des Antragsgegners hervorgegangenen Sohnes D aus übergegangenem Recht gegen den Antragsgegner geltend gemacht. Die seit Juli 2018 für D erbrachten monatlichen Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe beliefen sich auf 273 EUR.

Der Antragsgegner hatte im Jahre 2014 erneut geheiratet und mit seiner neuen, nicht erwerbstätigen Ehefrau zwei – im Januar 2010 und im Februar 2015 geborene – Kinder. Er war als Lkw-Fahrer im Nahverkehr mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 45 Stunden erwerbstätig und erzielt ein jährliches Nettoeinkommen von 22.963,68 EUR, in dem ein Verpflegungskostenzuschuss von 1.710 EUR enthalten ist. Von September 2018 bis einschließlich Februar 2019 erhielt der Antragsgegner für die beiden Kinder aus zweiter Ehe einen monatlichen Kinderzuschlag (§ 6a BKGG) von 150 EUR pro Kind; seit März 2019 von jeweils 167,50 EUR. Als Monatsmiete für die Wohnung der vierköpfigen Familie hat der Antragsgegner 555,72 EUR inklusive der Nebenkostenvorauszahlungen zu entrichten. Bis einschließlich November 2018 bezog er zusätzlich zu seinem Erwerbseinkommen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch von monatlich 37,59 EUR.

Der Antragsteller hat beim Amtsgericht beantragt, den Antragsgegner ab Juli 2018 zur Zahlung von Kindesunterhalt für D. in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts abzüglich des vollen Kindergelds zu verpflichten. Der Antragsgegner hat den Anspruch in Höhe von 51 EUR anerkannt. Das Amtsgericht hat den Antragsgegner mit Teilanerkenntnis- und Schluss-Beschluss zur Zahlung von monatlich 198 EUR ab Juli 2018 verpflichtet. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht den Unterhalt teilweise herabgesetzt, nämlich für Juli und August 2018 auf Zahlung von monatlich 144 EUR, für September bis Dezember 2018 von monatlich 192 EUR sowie für Januar und Februar 2019 von monatlich 165 EUR. Für den Zeitraum ab März 2019 hat es die Beschwerde insgesamt zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat den Kinderzuschlag als Einkommen der zweitehelichen Kinder angesehen.

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich der Antragsgegner gegen seine Verpflichtung, soweit sich der monatliche Unterhalt für Juli bis Dezember 2018 auf über 53 EUR, für Januar bis Juni 2019 auf über 68 EUR und für den Zeitraum ab Juli 2019 auf über 80 EUR beläuft. Der BGH hat die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.

3. Einordnung der Entscheidung

Hinsichtlich der streitigen Frage der Einordnung des Kinderzuschlags hat der BGH jetzt entschieden, dass es sich bei dem Kinderzuschlag um Einkommen des Kindes handelt.

Der Kinderzuschlag ist zum 1.7.2019 durch das Gesetz zur zielgenauen Stärkung von Familien und ihren Kindern durch die Neugestaltung des Familienzuschlags und die Verbesserung der Leistungen für Bildung und Teilhabe vom 29.4.2019[1] neu geregelt worden. Nach § 6a Abs. 1 BKGG erhalten Personen für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete oder nicht verpartnerte Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn sie für diese Anspruch auf Kindergeld oder andere Leistungen im Sinne des § 4 BKGG haben (Nr. 1), ihr Einkommen bestimmte Grenzen übersteigt (vgl. Nr. 2) und bei Bezug von Kinderzuschlag keine – bzw. nur eine stark eingeschränkte (vgl. § 6a Abs. 1a BKGG) – Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II besteht (vgl. Nr. 3).

Die Höhe des Kinderzuschlags richtet sich nach § 6a BKGG.[2] Die Summe der einzelnen Kinderzuschläge bildet gemäß § 6a Abs. 4 BKGG den Gesamtkinderzuschlag (§ 6a Abs. 2 Satz 2 BKGG a.F.), über den nach § 6a Abs. 7 Satz 1 BKGG für einen Bewilligungszeitraum von jeweils sechs Monaten zu entscheiden ist.[3] Gezahlt wird der Kinderzuschlag gemäß § 3 Abs. 1 und 2 Satz 1, § 6a Abs. 1 BKGG an den Elternteil, in dessen Haushalt das Kind lebt.

Die unterhaltsrechtliche Einordnung des Kinderzuschlags war streitig. Teilweise wurde vertreten, es handele sich beim Kinderzuschlag um Einkommen der Eltern, auf die er hälftig zu verteilen sei[4] bzw. um Einkommen desjenigen Elternteils, an den der Kinderzuschlag gezahlt werde.[5] Nach a.A. sollte der Kinderzuschlag unterhaltsrechtlich zwar als Einkommen des Kindes anzusehen sein, jedoch dann, wenn die Eltern getrennt lebten, wie beim Kindergeld in einen Barunterhalts- und einen Betreuungsunterhaltsteil aufzuteilen sein, wobei im Falle des Nichterreichens des Mindestunterhalts eine Anrechnung unterbleiben sollte.[6]

Nach überwiegender Auffassung wurde der Kinderzuschlag als unterhaltsrechtlich Einkommen des Kindes a...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge