Ein besonderes Augenmerk muss auf der Feststellung der Gefährdung des Kindeswohls liegen. Eine solche, ist zu bejahen, wenn eine gegenwärtige Gefahr von einem solchen Ausmaß vorliegt, dass sich ohne eine Intervention eine erhebliche Schädigung des Kindes mit hinreichender Sicherheit voraussehen lässt. Die bloße Besorgnis künftiger Gefährdungen genügt nicht. Es gehört nicht zum staatlichen Wächteramt, für eine bestmögliche Förderung des Kindes und seiner Fähigkeiten zu sorgen.
Insbesondere genügt es für eine Trennung des Kindes von seinen Eltern nicht, wenn das Kind durch andere besser erzogen und gefördert werden könnte.
Die Gefährdung muss nachhaltig und schwerwiegend sein. Wenn der Schaden noch nicht eingetreten ist, muss die gegenwärtige Gefahr einer mit hinreichender Sicherheit voraussehbaren und konkret zu benennender Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes bestehen. Eine mittel- oder langfristige bzw. latente oder allgemeine künftige Gefährdung genügt nicht.
Insbesondere die Fälle der Vernachlässigung sind in der Praxis schwer zu beurteilen. Denn zum einen ist bei der Beurteilung, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, das familiäre Milieu miteinzubeziehen, da der staatliche Eingriff nach § 1666 BGB nicht dazu dient, dem Kind optimale Entwicklungsbedingungen zu verschaffen. Zum anderen zeichnen sich Vernachlässigungsfälle häufig dadurch aus, dass diese in der Regel nicht unmittelbar zu schweren Folgen für das Kind führen, sondern eher langfristig erhebliche Schäden verursachen. Ob die Voraussetzungen des § 1666 BGB vorliegen, entscheidet sich nach dem Ausmaß der Vernachlässigung, der Schutzbedürftigkeit des Kindes und inwieweit bereits schädigende Folgen für das Kind eingetreten sind.
In zeitlicher Hinsicht sind die Voraussetzungen für ein staatliches Eingreifen gegeben, wenn die künftige Schädigung hinreichend wahrscheinlich ist, die zur Schädigung führende Entwicklung begonnen hat und diese Entwicklung zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr aufgehalten werden kann.
Der BGH hat herausgearbeitet, dass das erforderliche Maß der Gefahr nicht generell abstrakt festgelegt werden kann. Die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringer, je schwerer der drohende Schaden wiegt. Weiterhin ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeit das Verhältnis zwischen der Schwere des Eingriffs in die elterliche Sorge und dem Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts für das Kind zu beachten. Damit setzt der BGH das Wahrscheinlichkeitselement des Gefährdungsbegriffs ins Verhältnis zur gewählten Rechtsfolge.
Der BGH betont, dass sich die Wahrscheinlichkeitsgrade auf der Tatbestandsebene und der Rechtsfolgenseite unterscheiden. Auf der Tatbestandsebene ist von einem einheitlichen Gefährdungsbegriff auszugehen, ohne dass es hier bereits auf das Gewicht der zu ergreifenden Maßnahmen ankommt.
Hier ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Kindeswohlgefährdung erforderlich. Der erhöhte Wahrscheinlichkeitsgrad der ziemlichen Wahrscheinlichkeit kommt erst auf der Rechtsfolgenseite zum Tragen, wenn zur Abwehr der Gefahr die elterliche Sorge entzogen werden soll.
Die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit muss auf konkreten Umständen beruhen. Eine nur abstrakte Gefährdung genügt nicht. Solche konkreten Umstände können in der Regel aus Vorfällen in der Vergangenheit abgeleitet werden, wobei vereinzelte Fehlhandlungen nicht ausreichen, sondern die Besorgnis unter dem Blickwinkel der Wiederholungsgefahr geprüft werden muss. Der bloße Verweis auf abgeschlossene Vorgänge in der Vergangenheit genügt nicht.
Bei drohenden schweren Schäden für das Kind (schwere Misshandlungen, sexueller Missbrauch) kann man sich – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls – mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit für die Zulässigkeit von staatlichen Eingriffsmaßnahmen begnügen. Deshalb kann es im Einzelfall entbehrlich sein vom Sachverständigen präzise, kaum zu leistende Wahrscheinlichkeitsprognosen zu fordern. Bei drohenden Schäden geringeren oder mittelgradigen Ausmaßes (Vernachlässigung, mangelnde Förderung) bedarf es einer höheren Wahrscheinlichkeit, die im Einzelfall auch festzustellen ist. Allerdings dürfte es nicht möglich sein, eine hinreichende bzw. ziemliche Wahrscheinlichkeit mit Prozentangaben zu bestimmen.
Dies stellt an die Begründung familiengerichtlicher Entscheidungen im Rahmen von §§ 1666, 1666a BGB erhebliche Anforderungen. Das Familiengericht muss im jeweiligen Fall darlegen, aus welchen konkreten Anlass bei dem konkreten Kind welche konkreten Schädigungen zu befürchten sind. Nicht ausreichend ist es, dass das Familiengericht Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung hat. Vielmehr muss das Gericht einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit haben, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Die Familiengerichte haben dezidiert ...