Der (teilweise) Entzug der elterlichen Sorge zum Zwecke der Trennung von Eltern und Kind ist nur dann erforderlich, wenn kein milderes Mittel zur Verfügung steht, das zur Abwehr einer nachhaltigen oder erheblichen Kindeswohlgefährdung gleich gut geeignet ist.
§ 1666a Abs. 1 S. 1 BGB legt fest, dass Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, nur zulässig sind, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann.
Erforderlich ist es, die verschiedenen öffentlichen Hilfen (u.a. Sozialpädagogische Familienhilfe § 31 SGB VIII; Tagesgruppe § 32 SGB VIII) auf ihre Eignung hin zu überprüfen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen müssen auch sehr aufwendige Hilfemaßnahmen fortgeführt werden, wenn sie eine Trennung des Kindes von den Eltern vermeiden können. Ein Verweis des Jugendhilfeträgers auf mangelnde Kapazitäten bzw. Geldmittel kann eine Fremdunterbringung eines Kindes grundsätzlich nicht rechtfertigen.
Für die Praxis bedeutsam ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen – bei bereits in der Vergangenheit erfolgten Jugendhilfemaßnahmen – weiter versucht werden muss, durch öffentliche Hilfen (z.B. Besuch einer Tagesgruppe bzw. einer sozialpädagogischen Familienhilfe) eine Herausnahme des Kindes aus der Familie zu vermeiden. Denn in Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung wird von Seiten der Kindeseltern häufig versucht, mit dem Verweis auf die Bereitschaft der Eltern zur Inanspruchnahme einer Familienhilfe eine Herausnahme des Kindes zu vermeiden. Der BGH hat klargestellt, dass, wenn schon in der Vergangenheit in erheblichem Umfang Jugendhilfemaßnahmen eingeleitet wurden und diese nicht zum Erfolg geführt haben, angenommen werden kann, dass mildere Maßnahmen als die Herausnahme des Kindes aus der Familie nicht zur Verfügung stehen. Die bloße verbale Bereitschaft der Kindeseltern (häufig unter dem "Druck" des laufenden Verfahrens), öffentliche Hilfen anzunehmen, ist dann nicht ausreichend. Wenn von Seiten der Kindeseltern keine Bereitschaft oder auch keine Fähigkeit zur aktiven Mitarbeit beim Hilfeprozess besteht, um ihre Erziehungskompetenz zu verbessern, sind entsprechende Jugendhilfemaßnahmen zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung nicht mehr geeignet. Hierzu sind von den Familiengerichten konkrete Feststellungen zu treffen.
Der in diesen Verfahren tätige Anwalt muss in Fällen, in denen lang andauernde Jugendhilfemaßnahmen nicht zur Verbesserung der Erziehungskompetenz geführt haben, dartun, warum sich die Situation der Kindeseltern derart geändert hat, dass eine Fortsetzung bzw. erneute Einleitung von Jugendhilfemaßnahmen erfolgversprechend ist. Denkbar ist dies, wenn eine Änderung der Lebenssituation eingetreten ist. Z.B., wenn eine Trennung eines Elternteils von einem gewalttätigen Partner erfolgt ist oder eine erfolgversprechende Bekämpfung einer Suchterkrankung bzw. psychischen Erkrankung eingeleitet wurde.
Besonders hohe Anforderungen an die Versagung öffentlicher Hilfen zur Ermöglichung der Rückkehr der Kinder zu den leiblichen Eltern sind dann zu stellen, wenn die Herausnahme der Kinder auf einem unverschuldeten Elternversagen beruht.
Weitere Probleme bei der Gewährung öffentlicher Hilfen ergeben sich, wenn das Familiengericht und das Jugendamt zu unterschiedlichen Einschätzungen über die Möglichkeit und Geeignetheit öffentlicher Hilfen kommen. Die Familiengerichte haben letztverantwortlich über Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB und damit inzident auch über die Frage, ob geeignete mildere Mittel zu Abwendung der Kindeswohlgefährdung zur Verfügung stehen, zu entscheiden. Sie sind dabei nicht an eine Einschätzung des Jugendamtes gebunden. Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob Familiengerichte gegenüber dem Jugendamt solche Jugendhilfemaßnahmen anordnen können und wie die gerichtliche Überprüfung – seitens der Kindeseltern – erfolgen kann. Zum Teil wird ein Letztentscheidungsrecht der Familiengerichte mit Wirkung gegenüber dem Jugendamt befürwortet. Hierfür fehlt es jedoch an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage. Ob aber die Voraussetzungen für eine Rechtsfortbildung gegeben sind, erscheint zweifelhaft. Das BVerfG befürwortet den Weg des zweigeteilten Rechtschutzes. Wenn sich das Jugendamt weigert, öffentliche Hilfe zu gewähren, ist das familiengerichtliche Verfahren auszusetzen. Die Eltern wären dann gehalten, im Wege des verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes das Jugendamt zu verpflichten, die Hilfen zu gewähren. Den Eltern müsste das Recht verbleiben oder einstweilig zurückübertragen werden, öffentliche Hilfen zu beantragen.
Bevor ein Kind von den Eltern getrennt wird, muss das Familiengericht in eigener Verantwortung prüfen, ob die Gefährdung des Kindes durch öffentliche Hilfen abgewendet werden kann. Sinnvoll ist es, die im Haushalt tätigen Familienhelfer als Zeugen zu befragen. Kommt das Familiengericht zu der Entschei...