Für die Anordnung von Maßnahmen, die in die Rechte der Eltern eingreifen, ist es notwendige Tatbestandsvoraussetzung, dass die Eltern entweder nicht fähig oder nicht bereit sind, die bevorstehende Gefahr bzw. Schäden für das Kindesinteresse abzuwenden. Es handelt sich nicht um eine Frage die erst auf der Ebene der Verhältnismäßigkeit zu klären ist.
Die Frage, ob die Eltern bereit sind öffentliche Hilfen anzunehmen oder die Gefahr durch gerichtliche Eingriffe, die nur auf Antrag ergehen können (§§ 1626a, 1628, 1671 BGB) abgewendet werden kann, ist auf dieser Ebene zu erörtern. Insbesondere wird die Möglichkeit, die Kindeswohlgefährdung durch Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil (§ 1671 BGB) oder Abänderung einer Sorgerechtsentscheidung (§ 1696 BGB) abzuwenden, in der Praxis oft übersehen. Eine solche Übertragung der elterlichen Sorge stellt bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Gefahrenabwendung durch die Eltern selbst dar. Die elterliche Sorge kann auf seinen Antrag mit dem Ziel auf einen Elternteil übertragen werden, dass dieser einer notwendigen Fremdunterbringung des Kindes zustimmt. Auch in diesen Fällen bedarf es für die Sorgerechtsübertragung keiner Kindeswohlgefährdung. Maßgebend ist, ob die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung auf einen Elternteil dem Kindeswohl am besten dient. Um dem Vorrang der Gefahrenabwendung durch die Eltern Rechnung zu tragen, dürfte es von Seiten des Familiengerichts in geeigneten Fällen geboten sein, eine Antragstellung gemäß § 1671 BGB anzuregen.
Ein weiteres denkbares Mittel zur eigenen Gefahrenabwehr kann die Erteilung einer Vollmacht zur Ausübung der elterlichen Sorge an das Jugendamt bzw. die Zustimmung zu einer Fremdunterbringung des Kindes einschließlich der Bereitschaft, alle notwendigen Mitwirkungshandlungen zu erbringen, sein.
In der Praxis wird oft pauschal eine fehlende Tragfähigkeit der Erklärung der Kindeseltern als Begründung für die Ungeeignetheit zur Gefahrenabwehr herangezogen. Dies genügt nicht.
Die Anforderungen des BVerfG an die mangelnde Tragfähigkeit der Einverständniserklärung der Eltern sind hoch und bedürfen einer konkreten Feststellung durch die Familiengerichte im Einzelfall. Im Übrigen kann bei Nichtmitwirkung bzw. einem Herausgabeverlangen der Eltern immer noch kurzfristig eine einstweilige Anordnung erlassen werden. Auch der geäußerte Wunsch der Eltern, dass das Kind in ihrem Haushalt aufwachsen solle, stellt eine Zustimmung nicht in Frage, wenn die Kindeseltern zusichern, das Kind nicht voreilig und eigenmächtig aus der Fremdunterbringung herauszunehmen.
Noch nicht abschließend geklärt ist, unter welchen Voraussetzungen eine von den Eltern dem Jugendamt erteilte Sorgevollmacht die Notwendigkeit für einen Sorgerechtsentzug entfallen lässt. Grundsätzlich ist anerkannt, dass die Erteilung einer Sorgerechtsvollmacht eine Entziehung des Sorgerechts zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung entbehrlich machen kann. Der jederzeit möglichen Widerruf der Vollmacht macht diese nicht per se ungeeignet. Nicht unproblematisch sind die zum Teil zusätzlich aufgestellte Anforderungen, dass die sorgeberechtigten Eltern bereit und in der Lage sein müssen, fortdauernd mit dem Jugendamt zu kooperieren und zu kommunizieren bzw. die Kindeseltern die subjektive Fähigkeit und die objektive Möglichkeit zur Aufsicht und Kontrolle des Sorgerechtsbevollmächtigten haben müssen. Denn auch wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, dürfte eine konkrete, nachhaltige und gegenwärtige Kindeswohlgefährdung bei einer tatsächlichen Sorgerechtsausübung durch das Jugendamt nicht gegeben sein. Es spricht aufgrund des massiven Eingriffs in die Rechte der Eltern bei einem Sorgerechtsentzug einiges dafür, die Anforderungen an eine Kommunikation und Kooperation nur gering anzusetzen. Ausreichend dürfte ein Mindestmaß an Kommunikation und Kooperation sein. Entscheidend ist, ob durch die mangelnde Kooperation der Kindeseltern bzw. durch deren obstruktives Verhalten das Kindeswohl trotz der Vollmacht gefährdet ist. Der in Verfahren gemäß § 1666 BGB tätige Anwalt sollte versuchen, die eigene Mandantschaft zu einer konstruktiven Zusammenarbeit mit dem Jugendamt zu bewegen, da dieses Verhalten häufig einen Sorgerechtsentzug entbehrlich macht.