Im einstweiligen Anordnungsverfahren nach §§ 49 ff., 157 Abs. 3 FamFG ergibt sich eine besondere Problematik: Zum einen muss schnell eingegriffen werden, wenn es Anzeichen für eine schwere Beeinträchtigung eines hochwertigen Rechtsguts gibt.
Andererseits liegt diesem Eingriff oft ein nur unzureichend aufgeklärter Sachverhalt zu Grunde. Die Erfolgsaussicht in der Hauptsache kann nur summarisch geprüft werden.
Auch im Eilverfahren sind die Familiengerichte gehalten, den Sachverhalt bestmöglich aufzuklären. Das BVerfG hat aber klargestellt, dass in einem fachgerichtlichen Eilverfahren die Sachaufklärung des Familiengerichts hinter den Anforderungen eines Hauptsacheverfahrens zurückbleiben kann. Es ist dem Familiengericht weder möglich noch ist es erforderlich, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Je schwerer die dem Einzelnen auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahme Unabänderliches bewirkt, desto gesicherter muss jedoch die Tatsachengrundlage des Grundrechtseingriffs sein. Andererseits kann umso eher auf ungesicherter Tatsachengrundlage entschieden werden, je schwerer das zu schützende Rechtsgut wiegt und je eilbedürftiger die Entscheidung ist. Maßgeblich ist, ob die Gefährdungslage nach Ausmaß und Wahrscheinlichkeit aufgrund der vorhandenen Erkenntnisse bereits derart verdichtet ist, dass ein sofortiges Einschreiten auch ohne weitere gerichtliche Ermittlungen geboten ist.
Die Folgen, die durch eine Unterlassung der Anordnung entstehen können müssen mit den Folgen abgewogen werden, die eine sich schließlich als unnötig erweisender Anordnung mit sich bringt.
An einem dringenden Bedürfnis im Sinne von § 49 Abs. 1 FamFG fehlt es regelmäßig bei abstrakten oder latenten Gefahren, die sich erst über einen längeren Zeitraum entwickeln und bei denen sich die Gefährdungslage im Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht derart verdichtet hat, dass ein sofortiges Einschreiten geboten wäre. Wenn und soweit die Gefahr noch im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens abgewendet werden kann, bedarf es regelmäßig nicht der Trennung des Kindes von der Ursprungsfamilie im Wege der einstweiligen Anordnung. Ist die Hauptsache bereits entscheidungsreif, fehlt es ebenfalls an einem dringenden Bedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Ist das Kind bereits fremduntergebracht und haben die Eltern einer vorläufigen Fremdunterbringung zugestimmt bzw. zugesagt, das Kind nicht voreilig zu sich zu nehmen, dürfte es auch an einem dringenden Bedürfnis im Sinne von § 49 FamFG fehlen.
Es gelten hohe Anforderungen an die Begründung einer einstweiligen Anordnung: Aus der familiengerichtlichen Entscheidung muss sich nachvollziehbar die sachliche und zeitliche Dringlichkeit der Trennung des Kindes von seinen Eltern ergeben und dass dem Kind in naher Zukunft ein schwerer Schaden droht, der ein sofortiges Einschreiten wegen der zeitlichen Nähe des Schadenseintritts erfordert.
Daran fehlt es, wenn der Ergänzungspfleger z.B. bei einer Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts das Kind in der Obhut der Familie belässt. An die Darlegung einer konkreten Gefährdung sind geringere Anforderungen als in einem Hauptsacheverfahren zu stellen. Es kann ausreichend sein, wenn bei dem Kind z.B. erhebliche, typischerweise aus verschiedenen Formen der Vernachlässigung resultierende Schäden aufgezeigt werden. Art und Schwere der Gefahr müssen aber konkret benannt werden. Sollte in einem parallel laufenden Hauptsacheverfahren bereits ein Sachverständigengutachten eingeholt worden sein, ist es geboten, den Sachverständigen auch im einstweiligen Anordnungsverfahren zu befragen.
In der Praxis unterlassen Familiengerichte es trotz Erlasses einer einstweiligen Anordnung zum Teil, von Amts wegen ein Hauptsacheverfahren nach den §§ 1666, 1666a BGB einzuleiten. Wegen der besseren Erkenntnismöglichkeiten in einem Hauptsacheverfahren (Einholung eines Sachverständigengutachtens) ist dies allerdings grundsätzlich geboten.