Eine alltägliche Situation in einer Anwaltspraxis: Die Ehefrau berichtet im Erstgespräch von der gerade vollzogenen Trennung. Befragt nach aktueller Berufstätigkeit, erklärt sie, sie sei schon länger depressiv und könne deshalb nicht arbeiten, zumal sich ihre gesundheitlichen Schwierigkeiten durch die Trennung noch verstärkt hätten. Im Anspruchsschreiben wird vor diesem Hintergrund vom Anwalt[2] Trennungsunterhalt unter Hinweis auf krankheitsbedingt fehlende Einkünfte geltend gemacht.

Der Ehemann geht nun seinerseits zum Anwalt und stellt die Sachlage anders dar. Seinen Anregungen in Richtung eigener Berufstätigkeit sei die Ehefrau nicht nachgekommen unter Hinweis darauf, dass er doch genug verdiene. Krank gewesen sei die Ehefrau eigentlich zu keiner Zeit. Sie habe zwar gelegentlich "trübe Gedanken" gehabt, zum Arzt oder Therapeuten gegangen sei sie aber nicht. Eine Verschlimmerung durch die Trennung werde nur vorgeschoben; die Aufnahme einer Arbeit sei für die Ehefrau besser, als den ganzen Tag "die Wände anzuschauen" und sich traurigen Gedanken hinzugeben. Eine Krankheit liege nicht vor.

[2] Nachfolgend wird die Beschränkung auf die männliche Form allein aus Gründen der Vereinfachung vorgenommen; in der Sache angesprochen sind immer gleichermaßen Anwältinnen und Anwälte.

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