1. Keine Prozessstandschaft des Jugendamtes im Verfassungsbeschwerdeverfahren
Erfolglos blieb die Verfassungsbeschwerde eines Jugendamtes. Dieses hatte 2018 das 2007 geborene Kind in Obhut genommen, weil die Mutter mit dem Kind in den Haushalt ihres wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilten neuen Lebensgefährten gezogen war. Das Familiengericht lehnte kinderschutzrechtliche Maßnahmen ab, das OLG entzog im Beschwerdeverfahren der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Nach Rückverweisung durch den BGH erteilte das OLG diverse Auflagen an die Mutter und deren Partner und ordnete die Herausgabe des Kindes an die Mutter an.
Das BVerfG sieht das Jugendamt nicht als berechtigt an, Rechte des Kindes in einer Verfassungsbeschwerde als Prozessstandschafter wahrzunehmen. Diese Rolle müssten ein Ergänzungspfleger oder ein Verfahrensbeistand übernehmen, wodurch der Zugang des Kindes zum Verfassungsgericht grundsätzlich gegeben sei. Verzichte wie hier die Verfahrensbeiständin nach eigener Prüfung auf eine Verfassungsbeschwerde, lasse sich dies nicht als Verhinderung der Durchsetzung der Rechte des Kindes verstehen. Ebenso wenig könne sich das Jugendamt selbst auf Art. 6 Abs. 2 GG berufen. Als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts fehle es dem Landkreis als Träger bereits an der Grundrechtsfähigkeit. Auch sei das Jugendamt keine Behörde, die allein den Kindern als Begünstigten des Schutzanspruchs zur Verwirklichung ihrer individuellen Grundrechte diene, sondern unterstütze vielmehr die gesamte Familie. Das staatliche Wächteramt ergebe kein materielles Grundrecht oder grundrechtsähnliches Recht des Staates.
2. Vertretung des Kindes durch den Amtsvormund
Das Jugendamt kann als Amtsvormund ein Kind im Verfassungsbeschwerdeverfahren vertreten. Ein nicht selbst verfahrensfähiger Beteiligter werde durch den gesetzlichen Vertreter vertreten, wenn nicht nach der Beurteilung durch das BVerfG letzterer infolge eines Interessenkonflikts an der Vertretung gehindert sei. Ein solcher liege im konkreten Fall nicht vor. Das Adoptionsverfahren werde nicht fortgeführt. Erkennbar orientiere das Jugendamt sein Vorgehen allein an einer von ihm gesehenen Gefährdung des Kindeswohls durch die Pflegemutter. Die in einem Parallelverfahren laut Vorbringen der Pflegemutter getätigte Äußerung des Kindes, es wolle bei ihr leben, begründe ebenfalls keinen Interessenkonflikt, weil keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, die Bewertung des Vormunds könne von anderen, vom Kindeswohl unabhängigen Interessen zumindest teilweise beeinflusst worden sein.
3. Auswahl von Pflegern und Vormündern
Erfolgreich war die Verfassungsbeschwerde einer Mutter gegen deren Auswechslung als Betreuerin für ihre Tochter, wobei das BVerfG dies mit Grundsätzen begründet, die auch für minderjährige Kinder gelten. Art. 6 Abs. 1 und 2 GG würden eine bevorzugte Berücksichtigung der Familienangehörigen bei der Auswahl von Pflegern und Vormündern für das (minderjährige) Kind gebieten, sofern keine Interessenkollisionen bestünden oder der Zweck der Fürsorgemaßnahme aus anderen Gründen die Bestellung eines Dritten verlange. Der Schutz des Familiengrundrechts reiche über den Zweck hinaus, einen besonderen personellen Raum kindlicher Entfaltungsmöglichkeiten zu sichern. Er ziele generell auf den Schutz spezifisch familiärer Bindungen und erfasse auch das Verhältnis zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern. Art. 6 Abs. 1 GG gebiete deshalb eine bevorzugte Berücksichtigung der (nahen) Familienangehörigen bei der Bestellung eines Betreuers (bzw. eines Pflegers oder Vormunds beim minderjährigen Kind) jedenfalls dann, wenn eine tatsächlich von familiärer Verbundenheit geprägte engere Bindung bestehe.
4. Verfahrensrecht
a) Ausschöpfung des Rechtswegs
Das BVerfG hat offengelassen, ob der Rechtsweg als erschöpft angesehen werden kann, wenn ein Kind als Verfassungsbeschwerdeführer im fachgerichtlichen Verfahren nicht selbst Beschwerde gegen die Ausgangsentscheidung eingelegt hat, sondern nur an dem Beschwerdeverfahren beteiligt war. Der Zweck der vorherigen Ausschöpfung des Rechtsweges, die geltend gemachte Beschwer durch die zuständigen Instanzen der Gerichte ordnungsgemäß zuvor zu prüfen und ihr ggfs. abzuhelfen, könnte nämlich deshalb erfüllt sein, weil das OLG die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung ohnehin von Amts wegen vollständig und unabhängig von den erhobenen Rügen zu prüfen hatte.
b) Vertretungsbefugnis nach Sorgerechtsentzug
Ein Elternteil, dem die elterliche Sorge entzogen wurde, kann das Kind nicht ...