EGMR (5. Sektion, Urt. v. 2.12.2021 – Beschwerde Nr. 36516/19: Jallow./.Norwegen)
Es stellt keine Verletzung von Art. 6 EMRK (Recht auf ein faires Anhörungsrecht) dar, wenn ein Vater, der kein Einreisevisum erhalten hat, in einem Sorgerechtsverfahren nur via Skype an der richterlichen Anhörung teilnimmt, sein Rechtsanwalt aber an dem gesamten Verfahren teilgenommen hat und er selbst zahlreiche Gelegenheiten hatte, seinen Fall während der Vorbereitung und bei der Anhörung vorzutragen. (red. LS)
BGH, Beschl. v. 8.12.2021 – XII ARZ 39/21
a) Maßgeblich dafür, welches Gericht bei Beschlussunfähigkeit des eigentlich zur Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch berufenen Gerichts zuständig gemäß § 45 Abs. 3 ZPO ist, ist die Rechtsmittelzuständigkeit in der Hauptsache. Bei Beschlussunfähigkeit eines Landgerichts in einer Betreuungssache ist daher der Bundesgerichtshof nach § 6 Abs. 1 S. 1 FamFG i.V.m. § 45 Abs. 3 ZPO zuständig.
b) Das im Rechtszug höhere Gericht kann über ein ihm nach § 45 Abs. 3 ZPO vorgelegtes Ablehnungsgesuch auch dann entscheiden, wenn die abgelehnten Richter – anders als von diesen angenommen – zulässigerweise selbst hierüber hätten entscheiden können (im Anschluss an BGHZ 226, 350 = NJW 2021, 385).
c) Das im Rechtszug höhere Gericht muss nicht über sämtliche Ablehnungsgesuche entscheiden. Es kann sich vielmehr im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens darauf beschränken, sachangemessen nur über eine bestimmte Anzahl von Ablehnungsgesuchen zu befinden (im Anschluss an BGHZ 226, 350 = NJW 2021, 385).
d) Ein Kollegialitätsverhältnis kann für sich genommen nur dann eine Ablehnung rechtfertigen, wenn damit eine sehr enge berufliche Zusammenarbeit verbunden ist (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 7.11.2018 – IX ZA 16/17, NJW 2019, 308; v. 26.8.2009 – 2 ARs 363/09, wistra 2009, 446; v. 31.1.2005 – II ZR 304/03, BGHReport 2005, 1350 und v. 4.7.1957 – IV ARZ 5/57, FamRZ 1957, 314).
e) Die Besorgnis der Befangenheit ergibt sich nicht allein aus dem Umstand, dass ein Verfahrensbeteiligter der Vizepräsident des in der Hauptsache zuständigen Landgerichts ist.
BFH, Beschl. v. 22.10.2021 – IX B 15/21
Trotz Vorerkrankung eines nicht geimpften Prozessbeteiligten kann es sich im fortgeschrittenen Stadium der COVID-19-Pandemie als nicht verfahrensfehlerhaft erweisen, wenn das Finanzgericht den Antrag auf Terminsverlegung ablehnt und ohne den Prozessbeteiligten mündlich verhandelt.
OLG Koblenz, Beschl. v. 1.9.2021 – 7 UF 297/21
Im Wege einer einstweiligen Anordnung ergangene Maßnahmen nach § 1666 BGB, die nicht auf einen jedenfalls teilweisen Entzug der elterlichen Sorge gerichtet sind, sind für Adressaten der Maßnahme nicht anfechtbar.
OLG Braunschweig, Beschl. v. 16.8.2021 – 1 WF 97/21
1. Das Beschleunigungsgebot aus § 155 Abs. 1 FamFG gilt in jeder Lage des Verfahrens und ist unter anderem bei der Anberaumung von Terminen, bei der Fristsetzung für die Abgabe eines Gutachtens oder der Bekanntgabe von Entscheidungen zu beachten.
2. Maßstab der beschleunigten Verfahrensführung ist das in allen Phasen des Verfahrens vorrangig zu beachtende Gebot der individuellen Orientierung am Kindeswohl aus § 1697a BGB.
OLG Zweibrücken, Beschl. v. 23.4.2021 – 6 UF 35/21
Eine Zurückverweisung ohne Antrag eines Beteiligten kann erfolgen, wenn das FamG unzutreffend im vereinfachten schriftlichen Verfahren nach § 155a Abs. 3 FamFG entschieden hat und daher die in einem Sorgerechtsverfahren erforderliche umfassende Prüfung des Kindeswohls aus formellen Gründen unterblieben ist.
OLG Koblenz, Beschl. v. 7.9.2021 – 7 UF 287/21
1. Weist ein Gericht in der mündlichen Verhandlung auf die Unschlüssigkeit des geltend gemachten Anspruchs hin, gewährt zu dem Hinweis einen Schriftsatznachlass und bestimmt zugleich Verkündungstermin, darf es den Anspruch nicht ohne einen zuvor erfolgten nochmaligen Hinweis auf die fortbestehende Unschlüssigkeit abweisen, wenn es nach Eingang des nachgelassenen Schriftsatzes im Hinblick auf diesen die mündliche Verhandlung wiedereröffnet hatte.
2. Dies gilt auch dann, wenn die Gegenseite auf den nachgelassenen Schriftsatz die fortbestehende Unschlüssigkeit moniert hatte (Abgrenzung zu BGH NJW-RR 2008, 581).