Dr. Christian Grabow
Im familienrechtlichen Alltag nehmen Auseinandersetzungen getrennt lebender Eltern über ihre gemeinsamen Kinder einen breiten Raum ein. Dies gilt für "klassische" kindschaftsrechtliche Verfahren zum Sorgerecht und Umgangsrecht ebenso wie für Streitigkeiten über den Kindesunterhalt. Ergänzt werden die Auseinandersetzungen mitunter um Herausgabeverlangen (§ 1632 BGB), die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind (§ 1628 BGB) oder die Frage nach der Berechtigung, das Kindergeld zu beziehen (§ 3 Abs. 2 BKGG).
Verfahrensrechtlich stehen neben den Hauptsacheverfahren einstweilige Anordnungsanträge zur Verfügung.
Berücksichtigt man weiterhin, dass die Fragen des Kindesunterhaltes nicht selten einen sozialrechtlichen Bezug haben, so wird deutlich, dass bei Trennungssituationen unter Einbeziehung der Kindesinteressen die Eltern ein komplexes Regelungssystem vorfinden und zu beachten haben.
Außerdem ergeben sich zunehmend Situationen, in denen sich gesellschaftliche Veränderungen in den Familienstrukturen nicht adäquat im gesetzlichen Regelungsgefüge widerspiegeln. Zunehmend stellt sich z.B. die Frage, ob der Grundsatz im Kindesunterhalt aus § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB "einer betreut, einer bezahlt" angesichts vielfältiger Betreuungsformen noch zeitgemäß ist. Es fehlt auch ein gesetzlicher Regelungsrahmen, um auftauchende Fragestellungen in der Praxis des paritätischen Wechselmodells für die betreuenden Eltern nachvollziehbar beantworten zu können.
Wenn es schon im Familienrecht spezialisierten Anwälten mitunter nicht leichtfällt, einzelne Fallgestaltungen richtig zuzuordnen, wie muss die Situation dann auf juristisch nicht vorgebildete Eltern wirken?
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Notwendigkeit, Änderungen im Normengefüge vorzunehmen.
Der Gesetzgeber hat den Ruf gehört, Reformanstrengungen zu unternehmen, die dem Ziel dienen, der Vielgestaltigkeit eines familiären Zusammenlebens mit Kindern in gesetzlichen Regelungen Rechnung zu tragen.
Die AG Familienrecht unterstützt diesen Reformprozess und führt am 12.5.2023 in Berlin ein Forum unter dem Titel dieses Editorials "Kind im Fokus" durch. Dabei wird der Blick auf notwendige Anpassungen im Kindschaftsrecht, im Kindesunterhaltsrecht und im Verfahrensrecht gerichtet. Ergänzend sollen Regelungen aus dem Ausland rechtsvergleichend vorgestellt werden. Namhafte Referenten aus der familienrechtlichen Forschung und Praxis werden einen Blick aus wissenschaftlicher Sicht und den praktischen Bedürfnissen auf den Fragenkomplex richten. Außerdem ist vorgesehen, dass Vertreter des Bundesministeriums der Justiz über den Stand der Gesetzgebung berichten.
Im Vorfeld des Forums werden die Mitglieder unserer AG bereits die diesjährige Mitgliederumfrage deutlich früher als in den Vorjahren zugeschickt bekommen. Auch diese Umfrage widmet sich dem Thema des Forums. Die Ergebnisse werden in der Veranstaltung präsentiert.
Das Forum findet im Französischen Dom am Berliner Gendarmenmarkt statt. Dieser Veranstaltungsort ist gewählt, um möglichst vielen Interessenten die Teilnahme zu ermöglichen. Ich kann Sie nur herzlich einladen, am 12. Mai zu unserem Forum nach Berlin zu kommen.
Autor: Dr. Christian Grabow
Dr. Christian Grabow, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Ludwigslust
FF 3/2023, S. 89