I. Einleitung
In der anwaltlichen Vertretung in Versorgungsausgleichssachen stellt sich, wenn einer der (geschiedenen) Ehegatten oder Lebenspartner stirbt, die Frage, welche Folgen dies für den Versorgungsausgleich hat. Diese Frage kann auftauchen, wenn Mandantin/Mandant oder die Gegenseite während einer laufenden Beratung sterben, oder wenn der Tod des geschiedenen Ehegatten jemanden veranlasst, anwaltlichen Rat zu suchen. Dabei lässt sich die Interessenlage grob dahingehend verallgemeinern, dass ein ausgleichsverpflichteter (geschiedener) Ehegatte regelmäßig ein Interesse hat, dass der Versorgungsausgleich nicht durchgeführt oder rückgängig gemacht wird. Ein ausgleichsberechtigter geschiedener Ehegatte hat das Interesse, weiterhin an der Versorgung des verstorbenen Ehegatten teilzuhaben. Die Versorgungsträger haben das Interesse, nicht doppelt in Anspruch genommen zu werden.
Hinsichtlich der Konsequenzen ist genau zu unterscheiden zwischen den verschiedenen Konstellationen, in denen der Tod eintritt. Die Folgen des Todes eines Ehegatten für den Versorgungsausgleich bei der Scheidung unterscheiden sich wesentlich von den Folgen des Todes eines geschiedenen Ehegatten für den Versorgungsausgleich nach der Scheidung. Im Versorgungsausgleich bei der Scheidung macht es einen wesentlichen Unterschied, ob der Tod während eines laufenden Verfahrens oder nach rechtskräftiger Scheidung, aber vor Abschluss des Versorgungsausgleichsverfahrens eintritt oder nach durchgeführtem Versorgungsausgleich. Darüber hinaus ist jeweils zu unterscheiden, ob der ausgleichsberechtigte oder der ausgleichsverpflichtete (geschiedene) Ehegatte gestorben ist.
Der vorliegende Beitrag soll für die Praxis einen Überblick über die zu unterscheidenden Konstellationen und ihre Rechtsfolgen verschaffen:
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Tod eines Ehegatten vor Abschluss eines Scheidungsverbundverfahrens (II.), |
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Tod eines Ehegatten nach rechtskräftiger Scheidung und vor Abschluss des Versorgungsausgleichsverfahrens (III.), |
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Tod eines Ehegatten nach rechtskräftiger Entscheidung über den Versorgungsausgleich bei der Scheidung (IV.), |
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Tod eines Ehegatten und nach der Scheidung auszugleichende Anrechte (V.). |
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Zuletzt wird kurz auf Fragen zur Verfahrensvollmacht (VI.) eingegangen. |
II. Tod eines Ehegatten vor Abschluss des Scheidungsverbundverfahrens
Im Scheidungsverfahren ist von Amts wegen (§§ 137 Abs. 2 Satz Nr. 1 und Satz 2 FamFG) ein Versorgungsausgleichsverfahren zu führen. Ist die Scheidung noch nicht rechtskräftig ausgesprochen und stirbt einer der Ehegatten, gilt das Scheidungsverfahren als erledigt (§ 131 FamFG). Da der Versorgungsausgleich nur zwischen geschiedenen Ehegatten stattfindet (§ 1587 BGB) und über ihn als Folgesache nur für den Fall der Scheidung entschieden wird (§ 137 Abs. 1, 142 Abs. 1 Satz 1, 148 FamFG) erstreckt sich die Erledigung der Scheidung automatisch auch auf die Folgesache Versorgungsausgleich. Es findet kein Versorgungsausgleich statt.
Dass für die Erledigung nach § 131 FamFG allein ein noch nicht rechtskräftiger Scheidungsausspruch vorausgesetzt ist bedeutet, die Erledigung tritt auch ein, wenn die Scheidung ausgesprochen, der Scheidungsausspruch aber noch nicht rechtskräftig ist. § 131 FamFG greift, wenn einer der Ehegatten nach Verkündung der Verbundentscheidung während einer laufenden Rechtsmittelfrist stirbt. Die eingetretene Erledigung kann dann aber nur in einer Entscheidung über eine Beschwerde berücksichtigt werden.
Das im Verbund betriebene Versorgungsausgleichsverfahren kann, anders als insbesondere ein Streit um Zugewinnausgleich, nicht als selbstständige Familiensache fortgeführt werden, weil der Versorgungsausgleich nur zwischen geschiedenen Ehegatten stattfindet. Der überlebende ausgleichsverpflichtete Ehegatte behält jeweils seine Anrechte. Dem überlebenden ausgleichsberechtigten Ehegatten bleibt die Hinterbliebenenversorgung nach den jeweiligen Versorgungsordnungen (z.B. Witwenrente nach § 46 SGB VI, Witwengeld nach den jeweiligen Beamtenversorgungsgesetzen von Bund und Ländern, vgl. z.B. §§ 19 ff. BeamtVG).
Das Gerichtsverfahren ist durch die Erledigung nach § 131 FamFG allerdings nicht beendet, weil noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden ist. Auch tritt die Erledigung zwar von Gesetzes wegen ein, gegebenenfalls ist auf Antrag des überlebenden Ehegatten die Erledigung aber deklaratorisch festzustellen. Ein Interesse an einer solchen Feststellung kann der überlebende Ehegatte z.B. haben, wenn Witwenrente oder Witwengeld beantragt werden soll. War der verstorbene Ehegatte nicht anwaltlich vertreten, ist das Verfahren nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 239 Abs. 1 ZPO bis zu dessen Aufnahme durch die Rechtsnachfolger unterbrochen. War der verstorbene Ehegatte anwaltlich vertreten, ist das Verfahren nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 246 Abs. 1 ZPO...