BGH, Beschl. v. 20.12.2023 – XII ZB 117/23

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 8 der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20.12.2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (Rom III-VO) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Nach welchen Kriterien ist der gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten i.S.v. Art. 8 lit. a und b Rom III-VO zu bestimmen, insbesondere

beeinflusst die Entsendung als Diplomat die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts im Empfangsstaat oder steht sie einer solchen sogar entgegen?
muss die physische Präsenz der Ehegatten in einem Staat von gewisser Dauer gewesen sein, bevor davon ausgegangen werden kann, dass dort ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet wurde?
setzt die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts ein gewisses Maß an sozialer und familiärer Integration in dem betreffenden Staat voraus?

BGH, Beschl. v. 22.11.2023 – XII ZB 566/21

1. Die in Art. 10 Abs. 1 EGBGB enthaltene Verweisung auf das Heimatrecht des Namensträgers ist eine Gesamtverweisung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB, die auch das Kollisionsrecht des ausländischen Staates umfasst; etwaige Rückverweisungen sind auch dann zu beachten, wenn ein fremdes Kollisionsrecht diese aufgrund einer abweichenden Qualifikation der Namensfrage ausspricht (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 20.6.2007 – XII ZB 17/04, FamRZ 2007, 1540).

2. Familienrechtliche Vorfragen werden im internationalen Namensrecht grundsätzlich unselbstständig angeknüpft, soweit die zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse Auswirkungen auf den Erwerb oder Verlust eines Namens haben (Fortführung von Senatsbeschl. v. 15.2.1984 – IVb ZB 701/81, BGHZ 90, 129 = FamRZ 1984, 576).

3. Das gilt aber nicht, wenn die betreffende familienrechtliche Vorfrage Gegenstand der Statusentscheidung eines deutschen Gerichts (hier: Ehescheidung) gewesen ist; insoweit überlagert die Bindung des inländischen Rechtsanwenders an die Gestaltungswirkung dieser Entscheidung das kollisionsrechtliche Verweisungsergebnis (Vorrang des Verfahrensrechts vor dem Kollisionsrecht).

4. Bei Anwendung türkischen Namenssachrechts verstößt die in Art. 173 Abs. 1 türkZGB enthaltene Verpflichtung der geschiedenen Ehefrau, ihren vorehelich geführten Namen wieder anzunehmen, auch bei einem gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten in der Bundesrepublik Deutschland jedenfalls dann nicht gegen den kollisionsrechtlichen ordre public (Art. 6 EGBGB), wenn die Ehefrau nicht nach Art. 173 Abs. 2 türkZGB auf eine gerichtliche Erlaubnis zur Weiterführung des Ehenamens nach der Scheidung angetragen hat.

OLG Rostock, Beschl. v. 26.7.2023 – 10 UF 79/23

1. Die Abänderung einer nach Art. 12 Abs. 1 HKiEntÜ getroffenen Rückführungsentscheidung kommt gemäß § 14 Nr. 2 IntFamRVG in Verbindung mit § 48 Abs. 1 FamFG in Betracht. Die Bedenken, dass die Zulässigkeit eines Abänderungsverfahrens dem Sinn und Zweck des HKiEntÜ-Verfahrens auf zügige Rückführung des entführten Kindes entgegensteht, rechtfertigen den Ausschluss der gesetzlich vorgesehenen Verfahrensmöglichkeit eines Abänderungsverfahrens nicht.

2. Für das Abänderungsverfahren ist das Familiengericht zuständig. Aus der Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für das Vollstreckungsverfahren gemäß § 44 Abs. 2 IntFamRVG lässt sich eine Zuständigkeit auch für das Abänderungsverfahren nicht herleiten (abweichend: OLG Hamm, Beschl. v. 13.7.2021 – 11 UF 71/21, FamRZ 2021, 1990, m. Anm. Hüßtege).

3. Das Familiengericht kann im Rahmen des Abänderungsverfahrens die Vollstreckung gemäß § 14 Nr. 2 IntFamRVG in Verbindung mit § 93 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 FamFG einstellen. Die Lösung der Schwierigkeiten, die möglicherweise aus dem Nebeneinander der Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für das Vollstreckungsverfahren nach § 44 Abs. 2 IntFamRVG und der Zuständigkeit des Familiengerichts für eine eventuelle Einstellung der Vollstreckung im Abänderungsverfahren entstehen, obliegt dem Gesetzgeber.

Autor: Gabriele Ey, Vorsitzende Richterin am OLG a.D., Bonn

FF 3/2024, S. 129 - 132

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