Teil 1
I. Einleitung
Neben der Ermittlung und Darstellung des korrekten materiell-rechtlichen Prüfungsmaßstabs stellt der Sachvortrag das Herzstück der anwaltlichen Tätigkeit in einem familienrechtlichen Verfahren dar. Inhaltlich hat sich der Sachvortrag nach den einschlägigen materiellen und verfahrensrechtlichen Rechtsnormen zu richten. Im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens stellt das Verfahrensrecht an diesen Sachvortrag, die Ermittlung des Tatsachenstoffes und den Grad der richterlichen Überzeugung von dessen Vorliegen bestimmte Anforderungen. Familiensachen können unterschiedlichen Verfahrensregimen unterliegen, die jeweils eigenen Prinzipien im Rahmen der Ausgestaltung des Verfahrens folgen. Dies hat auch Auswirkungen auf die Dispositionsmöglichkeiten über einen Verfahrensgegenstand. Der folgende Beitrag befasst sich mit einem Schwerpunkt aus Anwaltssicht mit dem einschlägigen Verfahrensrecht zur Ermittlung und dem Beweis des Sachverhalts sowie der Disposition über den Verfahrensgegenstand und stellt diesbezüglich die beiden in Familiensachen herrschenden Verfahrensregime vergleichend gegenüber.
II. Die einschlägigen Verfahrensregelungen
Das Verfahrensrecht in Familiensachen ist dem FamFG zu entnehmen. Der Gesetzgeber weicht bewusst von der ZPO ab, da seiner Auffassung nach in Familiensachen eine erhöhte Fürsorgepflicht des Staates und eine erhöhte Verantwortung des Staates für die materiell-rechtliche Richtigkeit der gerichtlichen Entscheidung bestehen. Das FamFG nimmt wiederum in § 113 FamFG für Ehesachen nach § 111 Nr. 1 FamFG und Familienstreitsachen i.S.d. § 112 FamFG Modifikationen des Verfahrensregimes des FamFG durch Verweisung auf die ZPO vor. Davon sind auch die §§ 23 bis 37 FamFG betroffen, welche im FamFG die einschlägigen Regelungen an den Sachvortrag und die Ermittlung und Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen sowie die allgemeinen Dispositionsmöglichkeiten über den Verfahrensgegenstand enthalten. Nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG werden die genannten FamFG-Regelungen in Familienstreitsachen durch die §§ 128 – 253 ZPO ersetzt. In § 113 Abs. 2 bis 5 FamFG finden sich wiederum Rückausnahmen von dem Verweis auf die Regelungen der ZPO, wobei insbesondere für Ehesachen in § 113 Abs. 4 FamFG maßgebliche Änderungen der ZPO-Vorschriften angeordnet werden. Dies hat seinen Grund darin, dass hier nach § 127 FamFG das Prinzip des sog. beschränkten Amtsermittlungsgrundsatzes greift, wonach die Beteiligten gerade nicht wie nach den Grundsätzen der ZPO voll über den Verfahrensgegenstand disponieren können. Schließlich finden sich weitere Modifikationen in den besonderen Vorschriften der einzelnen Familiensachen und Familienstreitsachen. Für Ehe- und Familienstreitsachen findet sich in § 115 FamFG eine wichtige Spezialvorschrift für die Zurückweisung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln, welche nach § 115 Satz 2 FamFG die ZPO-Vorschriften vollständig verdrängt.
Daher ist bezüglich der verfahrensrechtlichen Anforderungen eine differenzierte Betrachtung der einzelnen Familiensachen notwendig, der sich dieser Beitrag nun im Folgenden widmet.
1. Familiensachen nach § 111 Nr. 2 – Nr. 7 FamFG
Hier gelten die allgemeinen Regeln der §§ 23 bis 37 FamFG. Diese werden nun mit Blick auf die praktisch relevantesten Themen dargestellt.
a) Amtsermittlung des Tatsachenstoffes
Nach § 26 FamFG hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Damit rückt das FamFG vom dem die ZPO beherrschenden Prinzip der formellen zugunsten des Prinzips der materiellen Wahrheit ab. In Bezug auf den Sachvortrag hat dies vor allem zur Folge, dass keine Bindung an unstreitigen Sachvortrag durch das Gericht besteht, widersprüchlicher Vortrag von Amts wegen aufzuklären ist und keine Bindung an Geständnisse eines Beteiligten besteht (wie etwa in §§ 138 Abs. 3, 288 ZPO). Anerkenntnis- und Verzichtsentsc...