Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 S. 1). Wir befinden uns im Rahmen einer Anspruchsprüfung auf der Ebene des Bedarfs. Das Gesetz selbst enthält weder eine Definition des Begriffs der "ehelichen Lebensverhältnisse" noch benennt es – im Gegensatz zum Ehezeitende beim Versorgungsausgleich (§ 3 Abs. 1 VersAusglG) oder dem Stichtag zur Berechnung des Endvermögens beim Zugewinnausgleich (§ 1384) – den Zeitpunkt, auf den bei deren Bemessung abzustellen wäre.
Die ehelichen Lebensverhältnisse werden – nach klassischer Definition – durch die während der Ehe nachhaltig erzielten tatsächlichen Einkünfte der Ehegatten geprägt, soweit diese dazu bestimmt sind, den laufenden Lebensunterhalt zu decken. An diese die Ehe "prägenden" Einkünfte wird bei Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse angeknüpft, soweit das Einkommen nicht für andere Zwecke aufgewendet werden muss. Auch hinsichtlich etwaiger Abzüge kommt es entscheidend darauf an, ob sie die ehelichen Lebensverhältnisse prägen, d.h. ob die fraglichen Einkommensteile nachhaltig nicht zur Deckung des laufenden Bedarfs zur Verfügung stehen.
Dem Grunde nach besteht hierüber auch heute noch Einigkeit, sieht man vom Zeitpunkt ab, an den insoweit anzuknüpfen ist. Die Frage ist also, wie es sich auswirkt, wenn sich Einkünfte oder Ausgaben nach Rechtskraft der Scheidung ändern. Hat eine solche Entwicklung zur Folge, dass sich der ursprünglich festgestellte Bedarf ändert, oder bleiben die ehelichen Lebensverhältnisse auf den sozialen Status zum Zeitpunkt der Scheidung festgeschrieben und kann danach der Unterhaltsanspruch nur (ausnahmsweise) nach § 1581 entsprechend den Grundsätzen der Billigkeit geändert werden?
Der Begriff der "ehelichen Lebensverhältnisse" ist von der Konzeption her ein statischer Begriff, der aber in den Grenzen des Normkontextes eine gewisse Öffnung erlaubt. Zu differenzieren ist demnach zwischen einer zulässigen erweiternden Auslegung des Begriffs und den vom Gesetzgeber gewollten Restriktionen des Gesetzeswortlauts, über die sich hinwegzusetzen dem Richter verwehrt und dem Gesetzgeber vorbehalten ist. Die Berücksichtigung gewisser Veränderungen ist dem Begriff der ehelichen Lebensverhältnisse durchaus immanent, wenn nicht ungerechte Ergebnisse produziert werden sollen. Fraglich ist jedoch, welchen Bezug zur Ehe das Gesetz verlangt. Die Rechtsprechung muss der Versuchung widerstehen, den Begriff so weit auszudehnen, dass er sich von dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Begriffs- und Normengefüge völlig löst.
Lange Zeit ist der BGH stark stichtagsorientiert davon ausgegangen, dass die ehelichen Lebensverhältnisse bezogen auf einen bestimmten Zeitpunkt zu ermitteln sind. Dementsprechend wurde der Bedarf zunächst nach den monetären Verhältnissen bemessen, die während des Zusammenlebens der Parteien maßgebend waren, während spätere Einkommensentwicklungen bis zur rechtskräftigen Scheidung nur dann berücksichtigt wurden, wenn sie schon in der Ehe angelegt waren. Der maßgebliche Zeitpunkt wurde in der späteren Rechtsprechung des BGH vom Trennungszeitpunkt auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung verlagert, so dass auch der Trennung nachfolgende Entwicklungen, wie etwa der Wechsel der Steuerklasse oder die Geburt eines Kindes aus einer neuen Beziehung, in die ehelichen Lebensverhältnisse einbezogen werden konnten. Änderungen nach rechtskräftiger Scheidung waren hingegen nur zu berücksichtigen, wenn ihnen eine Entwicklung zugrunde lag, die aus der Sicht im Zeitpunkt der Scheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war und diese Erwartung die ehelichen Lebensverhältnisse bereits bestimmt hat.
Es folgte eine Lockerung des Stichtagsprinzips geleitet von der Überlegung, dass spätere Veränderungen, die im normalen Lauf der Entwicklung liegen, zu berücksichtigen sind, auch wenn sich die Ehegatten während der Ehe nicht darauf eingestellt haben. So wurde etwa der Wegfall eines während der Ehezeit geschuldeten Kindesunterhalts bei der Bemessung des Bedarfs des geschiedenen Ehegatten berücksichtigt. Einkommenssteigerungen wurden als relevant erachtet, wenn ihnen eine Entwicklung zugrunde liegt, die zum Zeitpunkt der Scheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war – nicht aber ein Karrieresprung. Auch unverschuldete Einkommensminderungen durch Arbeitslosigkeit, Wechsel der Steuerklasse, Eintritt in den Ruhestand wirkten sich bereits auf der Ebene der Bedarfsbemessung aus. Unzweifelhaft ist, dass bei Fortbestand der Ehe diese nachteiligen Veränderungen genauso hätten mitgetragen werden müssen, wie der Ehepartner von schon absehbaren positiven Veränderungen profitiert hätte: Beide Eheleute wissen beispielsweise, dass der Renteneintritt und die damit verbundene Einkommensreduzierung unvermeidbar sind, und beide freuen sich auf den Zeitpunkt, an dem die Unterhaltszahlungen an die Kinder wegen deren wirtschaftlicher Selbstständigkeit entfallen und sich die für die Eltern v...