FGG-RG Art. 111; ZPO § 323; EGZPO § 36 Nr. 1
Eine Abänderung eines Unterhaltstitels auf Grund der Gesetzesänderungen durch die Unterhaltsrechtsreform vom 1.1.2008 kommt dann nicht in Betracht, wenn das Vertrauen des Unterhaltsberechtigten in den Bestand des Titels schutzwürdig ist, weil er auf Grund seines Alters keine Möglichkeit mehr hat, die sich für ihn aus einer Abänderung des Titels ergebenden Nachteile anderweit mindestens teilweise wieder aufzufangen und auch ein Vergleich der wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien dazu führt, dass dem Bestandinteresse der Unterhaltsberechtigten Vorrang vor dem Abänderungsinteresse des Unterhaltsverpflichteten zu geben ist.
(Leitsatz der Redaktion)
AG Pankow/Weißensee, Urt. v. 4.1.2010 – 27 F 2616/09
Anm. der Redaktion: Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das Aktenzeichen des Berufungsverfahrens lautet: 16 UF 24/10 KG Berlin.
Tatbestand:
Die Parteien sind geschiedene Ehegatten. Mit der am 4.6.2009 zugestellten Klage begehrt der Kläger die Abänderung des Urteils des AG Charlottenburg vom 27.2.1981 (Az. 121 F 9266/77).
Mit der abzuändernden Entscheidung wurde der Kläger u.a. verurteilt, an die Beklagte ab dem 1.1.1981 nachehelichen Unterhalt in Höhe von 291 DM (148,79 EUR) monatlich im Voraus zu zahlen. Der Kläger zahlte diesen Betrag unverändert bis heute; der Betrag wurde zuletzt im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben. Der Kläger begehrte zwei Mal die Abänderung dieses Urteils; die entsprechenden Klagen wurden vom Kammergericht mit Urt. v. 28.3.1985 (Az: 16 UF 6223/84 bzw. 121 F 7079/83 des AG Charlottenburg) bzw. vom 20.6.1989 (Az: 19 UF 296/89 bzw. 121 F 9576/88 des AG Charlottenburg) jeweils zurückgewiesen.
Die Parteien schlossen am 19.9.1968 die Ehe. Aus der Ehe ist der gemeinsame Sohn der Parteien, C, geb. 1970, hervorgegangen. Die Ehe wurde durch Urteil des AG Charlottenburg vom 11.12.1979, rechtskräftig seit dem 29.1.1980, geschieden. Die elterliche Sorge für den gemeinsamen Sohn wurde der Beklagten übertragen; der Versorgungsausgleich wurde in Höhe von 101,65 DM (51,97 EUR) zu Lasten des Klägers durchgeführt.
Die Beklagte ist heute 65 Jahre alt. Auf Grund eines im Jahr 1971 erlittenen Verkehrsunfalls war sie zeitweilig zu 60 % schwer behindert und bezog eine Berufsunfähigkeitsrente. Aus den Entscheidungsgründen des Urteils des Kammergerichts vom 20.6.1989 (Az: 19 UF 296/89) ergibt sich, dass die Berufsunfähigkeitsrente später wegfiel. Nach der Ehescheidung war die Beklagte überwiegend teilzeitbeschäftigt; auf Grund einer schweren Erkrankung ging sie am 1.4.2004 vorzeitig in Rente. Sie bezog eine Altersrente der Deutschen Rentenversicherung sowie eine Zusatzversorgung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, die insgesamt 1.167,02 EUR monatlich betrug. Daneben erhielt sie die hier streitgegenständliche Unterhaltszahlung (148,79 EUR), sodass sie über ein monatliches Gesamteinkommen in Höhe von ca. 1.315 EUR verfügte. Die Beklagte wohnte zur Miete; hierfür wandte sie monatlich 475,63 EUR auf.
Der Kläger ist heute 66 Jahre alt. Er bezog Altersrente der Deutschen Rentenversicherung und der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder in Höhe von insgesamt ca. 1.800 EUR monatlich. Seit dem Jahr 1992 war er erneut verheiratet; seine Ehefrau verfügte über eigene Einkünfte aus Erwerbstätigkeit. Er wohnte im eigenen Haus; hierfür zahlte er zusammen mit seiner Ehefrau, die Miteigentümerin war, für Zins und Tilgung des Darlehens monatlich ca. 489 EUR. Die Mutter des Klägers lebte in einem Altersheim; von den hierbei anfallenden Kosten trug der Kläger 400 EUR monatlich.
Mit Anwaltsschreiben vom 27.3.2009 forderte der Kläger die Beklagte auf, auf die Rechte aus dem Unterhaltstitel mit Wirkung spätestens ab dem 10.4.2009 zu verzichten.
Der Kläger verweist auf das neue, seit dem 1.1.2008 geltende Unterhaltsrecht und darauf, dass seither jeder Ehegatte nach rechtskräftiger Scheidung grundsätzlich für sich selbst zu sorgen habe. Er meint, nach fast 29 Jahren, in denen er – unstreitig – Unterhalt gezahlt habe und bei einer Ehe, die bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags weniger als 10 Jahre gedauert habe, gebe es heute keinen Grund mehr, weshalb er noch länger Unterhalt zahlen sollte. Er beantragt, unter Abänderung des Urteils des AG Charlottenburg vom 27.2.1981 (Az: 121 F 9266/77) seine Unterhaltsverpflichtung mit Wirkung ab dem 4.6.2009, dem Tag der Klagezustellung, auf null herabzusetzen, hilfsweise die Unterhaltsverpflichtung beginnend ab dem 4.6.2009 zu befristen.
Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, dass eine Abänderung des titulierten Unterhalts zu ihren Lasten unbillig sei; sie sei auf die Unterhaltszahlung unverändert angewiesen. Sie meint, sich auf einen entsprechenden Vertrauenstatbestand berufen zu können.
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist als Abänderungsklage zulässig (Art. 111 FGG-Reformgesetz, §§ 323 ZPO, 36 Nr. 1 EGZPO; vgl. Büte/Poppen/Menne-Büte, Unterhaltsrecht, 2. Aufl. 2009, § 36 EGZPO Rn 4). Denn durch das Gesetz...