Einführung
In der Praxis wird beim Betreuungsunterhalt aus § 1570 Abs. 1 BGB bzw. § 1615l BGB vom betreuenden Elternteil nicht selten eine Einschränkung seiner Erwerbsobliegenheit mit einem Problem des Kindes begründet. Dies gibt Anlass, diese sog. Problemkind-Fälle einmal systematischer zu betrachten.
Zwar können nach § 1570 Abs. 1 Satz 3 BGB die – objektiven – Belange des Kindes ein Grund für eine Verlängerung des Betreuungsunterhaltes über den dritten Geburtstag des Kindes hinaus sein. Ein Problem des Kindes führt aber nicht automatisch zu einer Reduzierung der Erwerbsobliegenheiten des betreuenden Elternteils. Vielmehr sind hier ganz konkrete Kausalitätsüberlegungen anzustellen.
Dies lässt sich am besten an einem Beispiel aus dem Krankheitsunterhalt gem. § 1572 BGB veranschaulichen. In der Praxis findet sich nicht selten in Antragsschriften die Erklärung, die Mandantin sei krank, daher stehe ihr ein Unterhaltsanspruch zu. Verwiesen wird noch auf beigefügte Arztatteste; beantragt wird, ein ärztliches Gutachten einzuholen. Danach befasst sich der Schriftsatz ausführlich mit den finanziellen Verhältnissen des Unterhaltspflichtigen, nennt hierzu viele Zahlen und fügt oft auch noch umfangreiche, mehr oder weniger nachvollziehbare Berechnungen aus handelsüblichen Unterhaltsberechnungsprogrammen bei, um den Anspruch genauestens zu beziffern.
Dabei fehlt aber regelmäßig der entscheidende Punkt: die Krankheit einer Person besagt erst einmal nichts über ihre Erwerbsfähigkeit. Entscheidend ist nach dem Gesetz nicht allein die Krankheit, sondern die Tatsache, dass aufgrund dieser Krankheit eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Folglich muss bei einem Anspruch aus § 1572 BGB nicht nur die Erkrankung mit den daraus resultierenden konkreten Beschwerden detailliert dargelegt werden, sondern ganz genau auch die kausalen Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit, um überhaupt erst einmal die Grundlage des Anspruchs substantiiert zu begründen. Denn ohne eine begründete Anspruchsgrundlage sind Berechnungen über Leistungsfähigkeit und Bedarf sinnlos.
Zur unverzichtbaren Anspruchsbegründung gehört auch die Angabe, welche Therapie in der Vergangenheit genutzt worden ist, um eine Besserung zu erreichen und ggf. warum in Zukunft – trotz möglicher Heilbehandlungsmaßnahmen – keine Besserung erwartet werden kann. Soweit krankheitsbedingte Erwerbseinschränkungen substantiiert dargelegt werden, stellt sich in der Praxis dann immer ganz konkret die Frage, ob damit im Einzelfall jegliche Erwerbstätigkeit unmöglich gemacht wird oder nur Einschränkungen in einem bestimmten beruflichen Umfeld gegeben sind. In diesem Fall sind dann weitere Darlegungen zu Ersatzarbeitsmöglichkeiten unverzichtbar. Ohne einen solchen substantiierten Sachvortrag ist vielfach auch der vorsorglich gestellte Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens schlichtweg ein unzulässiger Ausforschungsbeweisantrag, dem das Gericht nicht nachgehen muss.
Dementsprechend hat auch nicht jedes Problem des Kindes bereits unterhaltsrechtliche Bedeutung, denn beim Betreuungsunterhalt ist diese darzulegende Ursachenkette zwischen der Erkrankung des Kindes und der Erwerbsbeeinträchtigung des betreuenden Elternteils noch deutlich länger.
So müssen erst einmal gravierende Schwierigkeiten beim Kind festgestellt werden. Die sog. "Mimosen-Einrede" (das Kind ist ja so anfällig, erhöht betreuungsbedürftig, schwierig, braucht ständig Hausaufgabenhilfe) reicht folglich nicht aus, einen Anspruch aus § 1570 BGB zu rechtfertigen.
Im Fall des Problemkindes beim Betreuungsunterhalt geht es außerdem nicht um eine unmittelbare Einschränkung des betreuenden Elternteils durch eigene gesundheitliche Schwierigkeiten, sondern um mittelbare Hemmnisse der Erwerbsmöglichkeiten infolge des Problems des Kindes. Um unterhaltsrechtliche Bedeutung zu erlangen, muss folglich das Problem des Kindes sich ganz konkret auswirken auf die Möglichkeiten des betreuenden Elternteils, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Diese kausalen Zusammenhänge müssen im anwaltlichen Sachvortrag dezidiert herausgearbeitet werden. Auch die Bezugnahme auf das Attest eines Facharztes ersetzt keine substantiierte Darlegung.
Denn die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsverlängerung über das dritte Lebensjahr des Kindes hinaus trägt – auch bei einem Abänderungsverfahren – der unterhaltsberechtigte Elternteil, der sich folglich im Rahmen der kindbezogenen Gründe nicht darauf beschränken kann, nur auf eine bestimmte Erkrankung hinzuweisen.
Allerdings sollte sich der Unterhaltspflichtige nicht auf ein pauschales Bestreiten beschränken! Denn er kennt ja das Kind und kann sich bei den regelmäßigen Umgangskontakten durch persönliche Anschauung ein eigenes Bild über die aktuelle Situation machen. Auch von seiner Seite sind daher substantiierte Darlegungen geboten.
Bei der unterhaltsrechtlichen Bedeutung eines Problems des Kindes für die Erwerbsfähigkeiten des betreuenden Elternteils gibt es daher bereits einer Reihe von grunds...