a) Surrogat
In Form der nach Scheidung eintretenden Erwerbstätigkeit der Ehefrau bleibt es bei der Bedarfsprägung durch Surrogat; das BVerfG hat diesen Teil der BGH-Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt (Rn 64).
Ob allerdings auch in Bezug auf die Versorgung eines neuen Partners durch die unterhaltsbedürftige geschiedene Ehefrau ein Surrogat für die frühere Versorgung des geschiedenen Ehegatten angenommen werden kann, erscheint zweifelhaft. Denn als "angelegt" – im Sinne einer mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Entwicklung – wird man diesen Umstand wohl nicht ansehen können.
b) Neue Unterhaltspflichten
In Bezug auf einen neuen Ehegatten ist die Entscheidung des BVerfG eindeutig; hier kann keine bedarfsprägende Funktion angenommen werden, weil nicht nur keine in der früheren Ehe angelegte Entwicklung vorliegt, sondern ein scheidungsbedingter, i.E. damit ehefeindlicher Faktor gegeben ist.
Problematisch erscheint jedenfalls im Rahmen der Bedarfsbestimmung die Behandlung von Unterhaltspflichten für neue Kinder. Die frühere Stichtagsregelung (bedarfsprägende Wirkung bei Kindern, die vor Rechtskraft der Scheidung geboren wurden; Ablehnung dieser Wirkung für die Zeit danach) war sicherlich nicht glücklich, da Zufallsergebnisse begünstigt werden. Stellt man auf den Ehebezug ab, kommt man ebenfalls nicht weiter; denn ehefeindlich waren "Seitensprung-Kinder" auch schon damals und auch dann, wenn sie vor Rechtskraft geboren wurden. Demgemäß wurde die bedarfsprägende Berücksichtigung allgemein weniger aus dogmatischen Gründen als vielmehr aufgrund des Schutzgedankens zugunsten der Kinder vorgenommen. Sofern man den – nicht ganz ernst gemeinten – Hinweis auf die "Betriebsgefahr" im Sinne des Risikos eines latenten Fortpflanzungsdrangs nicht heranziehen möchte, wird eine bedarfsprägende Berücksichtigung regelmäßig wohl an der fehlenden hohen Wahrscheinlichkeit dieser späteren Entwicklung scheitern. Sachgerechter erscheint das Kriterium des engen zeitlichen Bezugs der Veränderung zur Scheidung; hier könnte man z.B. darauf abstellen, ob das später geborene Kind noch während der Zeit des ehelichen Zusammenlebens gezeugt worden ist.
In der Mehrzahl der Fälle dürfte sich die Frage nicht auswirken, weil der Anspruch des Kindes Vorrang genießt (§ 1609 BGB) und die eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Schuldners (§ 1581 BGB) dem erhöhten Bedarf der geschiedenen Ehefrau Grenzen setzt (s.o. unter 3).
c) Steuervorteile
Schon vor Jahren hatte sich das BVerfG dagegen ausgesprochen, den durch Wiederverheiratung entstehenden Steuervorteil als in der früheren Ehe "angelegt" – und damit als prägend – anzusehen. Auch wenn in den letzten Jahrzehnten die Scheidungsrate und damit die Zahl der Wiederverheiratungen zugenommen habe, sei es – schon wegen der eine Ehe auszeichnenden Dauerhaftigkeit – unzulässig anzunehmen, mit einer eingegangenen Ehe sei sogleich deren mögliches Scheitern sowie eine darauf folgende neue Ehe mitgedacht mit der Folge einer Prägung der Einkommensverhältnisse. Deshalb wurde der einkommenserhöhende Steuervorteil aus dem Ehegattensplitting der neuen Ehe vorbehalten, Surrogat der früheren Ehe war damit nur der Realsplittingvorteil. Auf der Grundlage der "Wandelbarkeit" war es dann konsequent, dass der BGH die den Steuervorteil der neuen Ehe zuordnende Rechtsprechung sowohl für gleich- als auch für nachrangige Unterhaltsansprüche aufgegeben und den Bedarf nach dem sich unter Berücksichtigung des Splittingvorteils ergebenden Einkommen berechnet hat.
Wenn – wie jetzt feststeht – die in der neuen Ehe entstehende Unterhaltspflicht gegenüber der Ehefrau nicht bedarfsprägend ist, dann wäre es schon aus diesem Grunde eigentlich inkonsequent, den Steuervorteil durch Wiederheirat als bedarfsprägend anzusehen.
Auch vor dem Hintergrund des Wunsches nach einer stärkeren Vereinfachung des Unterhaltsrechts könnte es sich anbieten, gleichwohl auf die tatsächlichen Verhältnisse auch in steuerlicher Hinsicht abzustellen. Immerhin entspricht die tatsächliche Steuerklasse nach Wiederverheiratung derjenigen der früheren Ehe, während das (vorübergehende) Absinken der Leistungsfähigkeit als Folge der Steuerklasse I einen trennungsbedingten Umstand darstellt. Einer etwaigen erhöhten Schutzbedürftigkeit des neuen Ehegatten wird ja ohnehin schon im Rahmen der Rangregelung des § 1609 BGB Rechnung getragen. Die Berechtigung der Argumentation, der Splittingvorteil aus der neuen Ehe dürfe wegen der wechselseitigen Beeinflussung des Bedarfs mehrerer Ehegatten nicht allein der neuen Ehe zugutekommen, ist jedenfalls aufgrund des Wegfalls der Dreiteilungsmethode als Folge der Entscheidung des BVerfG entfallen. Bei Fortsetzung der Ehe wäre es bei Steuerklasse III geblieben, ein scheidungsbedingter Umstand liegt keinesfalls vor. Für Kinder- und Ehegattenunterhalt wäre eine einheitliche Bemessungsgrundlage gegeben, denn beim Verwandtenunterhalt sind immer die tatsächlichen Einkünfte maßgeblich.